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Aus: Ausgabe vom 07.03.2024, Seite 5 / Inland
Arbeitswelt

Die Ausgebrannten

Krankenkasse DAK: Fehlzeiten aufgrund von psychischen Erkrankungen auf Höchststand. Kitas, Pflegeheime und Kliniken besonders betroffen
Von Gudrun Giese
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»Extreme Ausfälle«: Demo für mehr Erzieher in Berlin (23.9.2023)

Immer mehr Beschäftigte können wegen psychischer Erkrankungen nicht arbeiten. Die Fehlzeiten haben im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand erreicht, besagt der neue »Psychreport 2024« der Krankenkasse DAK-Gesundheit. Demnach gab es nie zuvor so viele Arbeitsausfälle aufgrund von Depressionen, Belastungsreaktionen und Ängsten.

Über alle Berufsgruppen hinweg ist die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage, die auf psychische Ursachen zurückgingen, innerhalb der vergangenen zehn Jahre um 52 Prozent gestiegen, steht in dem Report der Krankenkasse, die dafür die Krankschreibungen der bei ihr versicherten 2,39 Millionen Beschäftigten ausgewertet hat. Dabei zeigte sich, dass Angehörige bestimmter Berufsgruppen ganz besonders belastet waren: Wer in Kindertagesstätten oder in der Altenpflege arbeitet, hatte im vergangenen Jahr im Durchschnitt 5,3 Fehltage wegen einer psychischen Erkrankung. Das lag 65 Prozent über dem durchschnittlichen Wert aller Berufsgruppen. »Der weitere Anstieg der Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen und die extremen Ausfälle in Kitas und Pflegeheimen sind besorgniserregend«, sagte Andreas Storm, Vorstandsvorsitzender der DAK-Gesundheit.

Auch Klinikpersonal sei überdurchschnittlich von psychischen Krankheiten betroffen. Der Zusammenhang von Personalmangel in den Kitas, Seniorenheimen und Krankenhäusern, entsprechend hohem Arbeitsdruck und daraus folgender psychischer Belastung sei offensichtlich. Den Betroffenen müsse Unterstützung angeboten werden, so Storm, ohne das weiter zu präzisieren.

Während DAK-versicherte Beschäftigte laut des am Dienstag vorgestellten »Psychreports 2024« insgesamt 323 Arbeitsunfähigkeitstage je 100 Versicherten hatten, waren Erzieher und Fachkräfte in der Altenpflege mit 534 bzw. 531 Tagen bezogen auf 100 Versicherte am häufigsten krankgeschrieben. Depressionen waren mit 122 Arbeitsunfähigkeitstagen ganz vorne; sie machten 38 Prozent der Fehltage wegen einer psychischen Diagnose aus. Belastungsreaktionen und Anpassungsstörungen – so werden Reaktionen auf belastende Lebensereignisse bezeichnet – stiegen um 29 Prozent auf 89 Krankheitstage. Auf alle bei der DAK-Gesundheit versicherten Beschäftigten bezogen, stieg die Zahl psychisch bedingter Fehltage 2023 von 3,0 auf 3,2. Am stärksten betroffen waren die Altersgruppen der 20- bis 24jährigen mit einem Zuwachs von 34 Prozent und die der 25- bis 29jährigen mit einem Plus von 31 Prozent. Bei den jungen Beschäftigten nahmen vor allem kurze Krankschreibungen zu.

Als weitere Branchen, die überdurchschnittlich stark von psychisch bedingten Arbeitsausfällen betroffen sind, nennt die Auswertung die öffentliche Verwaltung, Organisationen und Verbände sowie Bildung, Kultur und Medien. Der Blick auf die Berufsgruppen zeige, dass die Belastungen dort besonders hoch seien, »wo sich Menschen in ihrem beruflichen Alltag um das Wohlbefinden anderer kümmern und zudem noch Personalmangel« bestehe.

»Die neuen strukturellen Bedingungen in der Arbeitswelt begünstigen den Anstieg der psychischen Erkrankungen«, stellte der Experte für betriebliches Gesundheitsmanagement, Volker Nürnberg, bei der Studienpräsentation fest. Die Krankenkasse empfiehlt auf ihrer Webseite individuelle Lösungen, etwa durch das betriebliche Gesundheitsmanagement. Das könne helfen, die Widerstandsfähigkeit und Belastbarkeit der Belegschaft zu stärken. Die DAK-Gesundheit unterstütze Unternehmen mit entsprechenden Beratungsangeboten. Zur strukturellen Lösung des doch eigentlich als strukturell erkannten Problems macht die Kasse jedoch keine Vorschläge.

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