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Schafe auf der Paulshöhe

Von Marco Bertram
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UNO statt Pyro: Gute Laune in der Oberliga Nord (Berlin, 3.3.2024)

Ich war ’ne schwere Geburt. Meine Mutter hatte im August 73 zu kämpfen im Oskar-Ziethen-Krankenhaus in Berlin-Lichtenberg. Vor mir erblickten bereits drei Generationen meiner Familie im OKZ das Licht der Welt – klar also, dass ich ein Auge auf die Lichtenberger Platzhirsche L47 und Sparta werfe. Da mir auch das wunderschöne Schwerin mit seiner SG am Herzen liegt, ging es am Sonntag mit dem jüngeren Spross ins »Zoschke«, um dem Oberliga-Duell Lichtenberg 47 vs. Dynamo Schwerin beizuwohnen. Im Rucksack ein Malblock und UNO-Karten, damit das Kind bei Laune gehalten wird. Pyro oder Bambule würde es schließlich nicht geben.

Hörte man sich um, so waren die meisten der Meinung, dass dies das erste Aufeinandertreffen sei. In der DDR-Oberliga spielte Dynamo Schwerin nie, und die 47er nur 1950/51. Meist wurde in unterschiedlichen DDR-Liga-Staffeln der Ball fesch rollen gelassen, doch gab es eine Phase, in der L47 und Schwerin von 1966 bis 1969 in der Liga-Staffel Nord gemeinsam kickten. Die 47er begrüßten damals im Schnitt 2.900 Zuschauer. Ab den 70ern waren dann fünf statt zwei Staffeln angesagt, und man ging fortan getrennte Wege.

Während L47 eine gerade Linie hat, ist der Schweriner Fußball konfus. Die heutige SGD wurde 2003 gegründet, die alte ging im 1. FSV, der Eintracht bzw. dem FC Mecklenburg auf. Und während die 47er sich noch immer an ihrem traditionellen Stadion erfreuen dürfen, musste Dynamo die altehrwürdige Paulshöhe räumen und nun in Lankow auf dem Nebenplatz bolzen. Heute grasen Schafe auf der Paulshöhe – was für eine Farce! Während L47 den Sprung zurück in die Regionalliga packen möchte, will Schwerin die Klasse halten. Vor 635 Zuschauern und bei sehr entspannter Atmosphäre – die rund 20 Gästefans wurden von ein paar Stahl-Brandenburg-Fans unterstützt – wurde L47 seiner Favoritenrolle gerecht und konnte einen 2:0-Sieg einfahren. Allein direkt nach der Pause und kurz vor Schluss zeigten die Dynamo-Spieler ihr Potential und waren einem Törchen sehr nahe.

Ich musste mich indes im UNO mit 2:6 geschlagen geben und spendierte uns eine leckere Wurst für 3,50 Euro. Für das gleiche Geld erhielt ich ein Bier – für umme bekam mein Söhnchen einen kleinen weißen Ball in die Hand gedrückt. Der Lichtenberger Support bewegt sich eher auf leiseren Sohlen. Doch keine Frage, mit Kind und Kegel ist das Zoschke einen Ausflug wert! Und wenn sich die Aufstiegsparty nähert, wird auch mein Großer wieder am Start sein, denn beim letzten Mal hatte es ihm urst gut gefallen, als die Spieler auf der hellen Steinmauer ein paar Fackeln abbrennen ließen.

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