4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 05.03.2024, Seite 8 / Ansichten

Zähneklappern

Panikmache vor chinesischer Exportwelle
Von Wolfgang Pomrehn
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Chinesische Autos werden im Hafen von Wladiwostok entladen (25.8.2023)

Das Wall Street Journal sieht die westliche Welt vor einem »China-Schock«. Die Volksrepublik würde eine massive Exportwelle auf den Weg bringen, aber nicht im gleichen Maßen im westlichen Ausland einkaufen. Dass letzteres vermutlich daran liegt, dass die alten Industrieländer nur noch wenig zu bieten haben und das wenige, technisch hochwertige, was chinesische Käufer noch interessieren könnte, mit Ausfuhrverboten belegen, scheint dem Journal dabei entgangen zu sein. Statt dessen ist die Antwort mal wieder Protektionismus. Schon seit Donald Trumps Zeiten werden mehr und mehr Importzölle auf chinesische Waren erhoben. Zum Beispiel werden auf diesem Wege chinesische Solaranlagen verteuert und so wird der Ausbau der Solarenergie in den USA verlangsamt. Nebenbei sind die US-Importzölle auch eine beachtliche Wirtschaftsförderung für Vietnam – und das ist ja nicht unbedingt etwas Schlechtes –, denn dort bauen verschiedene chinesische Unternehmen gerade im gewaltigen Umfang die Produktion von Wafern aus, die eine wichtige Vorstufe für eine Solaranlage darstellen. Das für die Wafer benötigte Polysilizium bezieht China unter anderem aus Deutschland, aber aufgrund der US-amerikanischen Politik nun im zunehmend geringeren Umfang. In Vietnam ist zudem das Interesse an den deutschen Produkten nicht so groß, als dass dadurch der verminderte Absatz in China ausgeglichen werden könnte. Der Protektionismus schadet also auf indirektem Wege durchaus auch der hiesigen Wirtschaft.

Dennoch mehrt sich auch hierzulande das Gejammer über chinesische Ausfuhren, die längst keine Billigerzeugnisse schlechter Qualität der Textil- und Spielzeugindustrie, sondern inzwischen günstige Hightechprodukte sind. Zum Beispiel Elektroautos. Während die hiesige Autoindustrie viel Zeit, Geld und Ingenieurskunst mit Abgasbetrug vergeudet – erst kürzlich konnte die Deutsche Umwelthilfe erneut BMW entsprechende Vergehen nachweisen –, wurde in China systematisch die Entwicklung leistungsfähiger Akkus und die Einführung von Elektroautos vorangetrieben. Nun sind diese reif für den Export im großen Stil, und in Westeuropa beginnt das große Zähneklappern. Importzölle sollen es richten, während die hiesigen Hersteller weiter auf Verbrennungsmotoren und das profitträchtige Luxussegment setzen. Ganz nebenbei ist man damit auf bestem Wege, in der Autobranche eine solide industrielle Basis mit viel Know-how und wertvollen Maschinen zu riskieren, die dringend für den Ausbau von mehr und besserer ÖPNV-Infrastruktur benötigt würde. Wer Autos bauen kann, könnte auch Busse und Züge herstellen. Aber der Markt richtet es offensichtlich nicht, und in Berlin fehlt nach wie vor der Wille, regelnd einzugreifen. Ist halt einfacher, auf die Chinesen zu schimpfen und weiter dem Götzen Auto zu huldigen. Deutschland, Land der Ideen.

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  • Leserbrief von Falko aus Baden Baden (5. März 2024 um 17:31 Uhr)
    Es tut mir leid, aber der Autor scheint sich mit der Bedeutung der Elektromobilität für die Strategie gerade deutscher Autokonzerne nicht auszukennen. Tatsächlich haben alle drei Konzerne seit mindest 5-7 Jahre den Hauptteil ihrer RD- und Produktions-Investitionen in die E-Mobilität gesteckt. Es werden keine neuen Verbrenner-Plattformen mehr aufgesetzt und selbst die aktuell anlaufende letzte Generation (lol) ICE-Motoren häufig schon nicht mehr selbst gefertigt und montiert. Motiv: wie schon bei der Diesel-Kombi aus EURO Norm und CO2 Grenzen - über diesen regulatorischen Hebel den Austausch einer relativ alten Flotte herbeiführen und das Wettbewerbsfeld technologisch ausdünnen. Wie sämtliche »Strategien« der postmodernen-PMC-Generation X-Bürokraten des Finanzkapitals ist auch diese natürlich nicht aufgegangen. Chinesische Hersteller, die CPC mit ihrer 2060-Ankündigung und die Glass Ceiling von ca. max 15-20% EU-Penetration führen nun zum hektischen Einlenken. By the bye die Chinesen werden natürlich ihre Überkapazitäten auf den EU Markt (es gibt keinen anderen aufnahmefähigen) dumpen und die Franzosen werden sich, da sie damit das gesamtstrategische Interesse repräsentieren, bei der Kommission bzgl Strafzöllen durchsetzen. Dann wird es für »unsere« OEM spannend, wie Genosse Xi und Co reagieren. Ich tippe auf verschärfte Kapitalkontrollen und ggf Domestizierung der lokalen Operations. Wer heutzutage noch glaubt, dass es irgendwas mit Umweltschutz oder auch nur Treibhausgasvermeidung zu tun hat, wenn statt effizient produzierten, gut funktionieren, robusten, ästhetischen!, langlebigen und verbrauchsarmen Verbrennern Batterieautos gebaut werden, der hält wahrscheinlich auch »veganes« Essen aus Labor für eine runde Sache und die Reemtsma-Erbinnen für Revolutionäre. Das eAuto ist here to stay, aber auch der Verbrenner hat noch eine lange Zukunft vor sich. Schade, dass wir Deutschen vermutlich nicht mehr dabei sein werden - es war nicht unser schlechtester Beitrag.
  • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (4. März 2024 um 20:21 Uhr)
    Protektionismus statt Innovation und Kooperation: So lässt sich keine Zukunft gestalten. Denn nur »am deutschen Wesen« konnte die Welt noch nie so recht »genesen«.

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