junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Gegründet 1947 Sa. / So., 27. / 28. April 2024, Nr. 99
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
junge Welt: Jetzt am Kiosk! junge Welt: Jetzt am Kiosk!
junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Aus: Ausgabe vom 02.03.2024, Seite 8 / Ansichten

Tragische Einsamkeit

Israels Kriegführung führte zu Massaker
Von Knut Mellenthin
imago0418709833h.jpg
Für Trauer kein Raum: Die Opfer des Massakers liegen am Boden des Al-Schifa-Krankenhauses in Gaza-Stadt (29.2.2024)

Nach dem Tod von mehr als 100 Menschen bei der Verteilung von Lebensmitteln in Gaza-Stadt sind die verbalen Proteste, an denen sich sogar einige westliche Regierungen wie die Frankreichs und Spaniens sowie der Außenpolitikchef der EU, Josep Borrell (»totally unacceptable«) beteiligen, allgemein, aber die dringend benötigte Hilfe für die palästinensische Bevölkerung bleibt viel zu gering. Jordanien, wurde am Freitag berichtet, habe – offensichtlich im vollen Einvernehmen mit der israelischen Besatzungsbehörde Cogat – aus der Luft 48 Hilfspakete über dem Gazastreifen abgeworfen. Aber warum gibt es keine umfangreichen internationalen Hilfsaktivitäten, denen sich Israels Regierung bei all ihrem Wahnsinn kaum militärisch widersetzen würde, mit China und Russland an der Spitze, unter Beteiligung aller arabischen Staaten, die sich möglichst unverbindlich mit den Palästinensern solidarisch erklären?

Die US-Regierung hat am Donnerstag im UN-Sicherheitsrat einen Antrag Algeriens blockiert, der – soweit bisher bekannt – von allen anderen 14 Mitgliedern, also auch Frankreich und Großbritannien, unterstützt wurde. Dieser Antrag enthielt nicht nur das Bekenntnis »tiefer Besorgnis«, sondern auch die Aussage, dass die Situation, die dem Massaker zugrunde lag, auf die Feuereröffnung durch israelische Streitkräfte zurückzuführen sei. »Wir kennen noch nicht alle Fakten«, begründete der US-amerikanische Vertreter im Sicherheitsrat die Haltung seiner Regierung.

Gewiss scheint aber jetzt schon: Israelische Soldaten haben auf die Menge geschossen und dabei nach dem Eingeständnis ihrer Militärführung zehn Menschen getötet. Außerdem gab es unter den Hunderten oder Tausenden, die sich um die Transportfahrzeuge drängten, eine Panik. Umstritten ist nur der Zusammenhang der Ereignisse. Israel behauptet, seine Streitkräfte hätten die Panik nicht ausgelöst.

Dazu gibt es aber ein interessantes, außerhalb Israels kaum beachtetes Detail: Einer der Beschlüsse, die am Sonntag von Israels Kriegskabinett gefasst wurden, sieht vor, bei der Verteilung von Lebensmitteln künftig dafür zu sorgen, dass diese »auf eine Weise (geschieht), die Plünderungen verhindert, wie sie im Norden des Gazastreifens und anderen Gebieten vorgekommen sind«. Diese Anweisung und die Schüsse am Donnerstag zusammenzubringen, liegt auf der Hand.

Die tieferen Ursachen sind jedoch die Blockierung und Verzögerung der Hilfslieferungen durch Israel und der »Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung«, den Sprecher der Vereinten Nationen beklagen. Diesen Zusammenbruch hat Israel planmäßig und systematisch durch Zerstörung der gesamten Infrastruktur herbeigeführt. Das ist ein zentraler Teil seiner Kriegführung – die weltweit immer noch auf zu wenig effektiven Widerstand stößt. Che Guevara sprach 1967 von der »tragischen Einsamkeit Vietnams«. Das bleibt auch heute Thema.

2 Wochen kostenlos testen

Die Grenzen in Europa wurden bereits 1999 durch militärische Gewalt verschoben. Heute wie damals berichtet die Tageszeitung junge Welt über Aufrüstung und mediales Kriegsgetrommel. Kriegstüchtigkeit wird zur neuen Normalität erklärt. Nicht mit uns!

Informieren Sie sich durch die junge Welt: Testen Sie für zwei Wochen die gedruckte Zeitung. Sie bekommen sie kostenlos in Ihren Briefkasten. Das Angebot endet automatisch und muss nicht abbestellt werden.

Ähnliche:

  • Chaos und Tote nach Israels Angriff am Donnerstag nahe Gaza-Stad...
    01.03.2024

    Schüsse auf Hungernde

    Über 100 Getötete in Gaza bei Hilfslieferung: Israelische Armee will Berichte »prüfen«. Kleinkinder sterben an Nahrungsmangel
  • Blumenniederlegung in Gedenken an den Soldaten Bushnell (Manhatt...
    29.02.2024

    Nicht länger beteiligt sein

    Mutmaßliche US-Beteiligung am Krieg gegen Gaza mit Bodentruppen soll hinter Selbstverbrennung von Soldatem stehen

Mehr aus: Ansichten