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Aus: Ausgabe vom 01.03.2024, Seite 6 / Ausland
Medien

Öffentlich-Rechtliche ausgeschaltet

Vor den Parlamentswahlen in Südkorea: Rechter Präsident setzt ihm genehmen Intendanten ein
Von Martin Weiser, Seoul
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Die Erinnerung an das staatliche Versagen soll getilgt werden: Gedenken an den Untergang der Fähre Sewol in Seoul (31.12.2016)

Die Medien werden als vierte Gewalt bezeichnet, weil sie die Verfehlungen von Politikern offenlegen können. Die konservative Regierung in Südkorea arbeitet derzeit daran, dass zumindest die Öffentlich-Rechtlichen ihr nicht mehr gefährlich werden. Der Beginn war im September die Absetzung des Intendanten vom Korea Broadcasting Service (KBS), der öffentlich-rechtlichen Funk- und Fernsehanstalt Südkoreas. Kim Eui Chul wurde unter anderem mit Verweis auf einzelne linkslastige Nachrichtenformate und Journalisten vorgeworfen, dass unter ihm die diversen Sender in seinem Haus nicht mehr objektiv berichten würden. Flugs wurde mit Park Min ein neuer rechter Intendant eingesetzt, der ohne Umschweife den Laden umkrempelte, Formate ein- und die entsprechenden Journalisten kaltstellte. Schon vor der Ernennung wurde kritisiert, dass der neue Intendant als Zeitungsredakteur keinerlei Erfahrung mit Radio und Fernsehen mitbringe. Aber es wurde schnell klar, dass der südkoreanische Präsident Yoon Suk Yeol ihn aus anderen Gründen eingesetzt hatte.

Das wiederholte sich Ende Januar, als auch der Posten des Produktionsdirektors von KBS neu besetzt wurde. Nur Tage nach Amtsantritt verfügte der neue Direktor Lee Je Won, dass eine Dokumentation über den Untergang der Sewol nicht wie geplant zum 10. Jahrestag ausgestrahlt werden darf. Das Schiff war am 16. April 2014 gesunken und hatte 304 Menschen, darunter 250 Abiturienten, in den Tod gerissen, auch weil die Crew explizit aufgefordert hatte, unter Deck auf Anweisungen zu warten. Die kamen allerdings nicht, weil der Kapitän und andere sich eiligst davonmachten. Dass dann auch die damalige Präsidentin Park Geun Hye und die Küstenwache noch zu spät reagierten und Dinge vertuschten, führte zu landesweiten Protesten. Der neue Produktionsdirektor befand, dass man mit dieser Doku die Parlamentswahlen am 10. April beeinflussen würde. Ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass sich die Konservativen von dem Gedenken an dieses Unglück bedroht fühlen.

Wie ein Film eine Woche nach der Abstimmung noch die Wahl beeinflussen könnte, wollte der Direktor nicht beantworten. Ein, zwei Monate vor und nach der Wahl seien einfach für politische Filme tabu, war seine Behauptung. Aber um ganz sicherzugehen, empfahl der Direktor dem Produzenten der Doku, sie einfach anders anzulegen, als Auftakt einer Serie, die sich mit Überlebenden und Hinterbliebenen von Katastrophen auseinandersetzt. Da solle man dann auch irgendwie das Cheonan-Kriegsschiff unterbringen, das im März 2010 vor der südkoreanischen Insel Baengnyeong gesunken war und 46 Soldaten das Leben kostete. Der rechte Präsident Lee Myung Bak hatte damals forciert, dass man für diesen Vorfall ein nordkoreanisches Mini-U-Boot verantwortlich macht, das unerkannt das Kriegsschiff mit einem Torpedo versenkt haben soll. Allerdings ist diese Interpretation gelinde gesagt umstritten. Den Vorschlag der Demokratischen Volksrepublik Korea, die Ursache gemeinsam zu untersuchen, hatte man energisch abgelehnt.

Als Belohnung für diese Maßnahmen bekam KBS ein exklusives Interview mit dem Präsidenten und die Propagandashow wurde den Südkoreanern am 7. Februar präsentiert – es ähnelte mehr einem Plausch unter Bekannten. Am augenscheinlichsten war das bei der Frage zu dem Skandal der Präsidentengattin, die entgegen gesetzlichen Bestimmungen ein mehr als 2.000 Euro teures Geschenk angenommen hatte. Der Präsident, vorher oberster Staatsanwalt, fand eine überraschend unjuristische Rechtfertigung. Seine Frau sei einfach nicht kaltherzig genug, um ein Geschenk einfach so auszuschlagen. Es ist allerdings nicht das erste Mal, dass ihr Verfehlungen bis Verbrechen vorgeworfen werden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt derweil noch in einem Fall von Aktienmanipulation, für den auch die Konten der Präsidentengattin benutzt wurden. Vorsorglich hat Yoon sein Veto eingelegt, um zu verhindern, dass das Parlament einen Sonderstaatsanwalt einsetzt, um speziell die Rolle seiner Frau in dem Fall zu untersuchen.

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