Fatale Logik
Von Sahra Wagenknecht Der Krieg in der Ukraine geht in sein drittes Jahr. Täglich werden junge Männer an der Front getötet oder verstümmelt, weite Landstriche der Ukraine sind verwüstet. Die Weltbank beziffert den Schaden für die Ukraine auf rund 500 Milliarden US-Dollar. Aber auch unsere Zukunft steht auf dem Spiel in diesem Stellvertreterkrieg, der uns nach Schätzung deutscher Wirtschaftsinstitute schon mehr als 200 Milliarden Euro an Wohlstand gekostet hat.
Die Strategie, Russland durch Sanktionen ökonomisch zu ruinieren und über Waffenexporte an die Ukraine militärisch zu besiegen, ist krachend gescheitert. Das russische Militär ist in der Offensive, während der Ukraine die Soldaten ausgehen. 600.000 ukrainische Männer im wehrfähigen Alter sind in den Westen geflohen, weil sie nicht verheizt werden wollen in einem vermeidbaren Krieg, der nach wenigen Wochen in einem Verhandlungsfrieden hätte enden können, wenn der Westen sich nicht auf fatale Weise eingemischt und die falsche Hoffnung auf einen ukrainischen Siegfrieden genährt hätte.
Wird man nun endlich zur Vernunft kommen und versuchen, mit Russland über einen Waffenstillstand zu verhandeln? Es gibt dazu keine Alternative – außer einer totalen Eskalation mit unkalkulierbaren Folgen. Doch nicht nur die Union, auch große Teile der Grünen und der FDP rühren die Trommel für die Lieferung von Raketen, deren Reichweite bis nach Moskau geht. »Ich wundere mich, dass einige nicht einmal darüber nachdenken, ob es zu einer Kriegsbeteiligung kommen kann durch das, was wir tun« – mit diesen Worten hat Olaf Scholz der Lieferung von »TAURUS« zwar eine Absage erteilt. Aber kann man sich auf einen Kanzler verlassen, der schon zuvor rote Linien gezogen und dann überschritten hat und dessen olivgrüne und »liberale« Partner teilweise schon auf eine Koalition mit der Union schielen?
Ein Gamechanger wären auch die »TAURUS«-Raketen nicht. Um Russland militärisch zum Rückzug aus den besetzten Gebieten zu zwingen, bräuchte es ein Vielfaches an Munition und letztlich auch Soldaten aus NATO-Ländern, die die Lücken in den Reihen der ukrainischen Armee füllen. Dieser fatalen Logik entsprechend hat der französische Präsident Macron nun die Entsendung von Bodentruppen ins Spiel gebracht. Spätestens damit würde eine Spirale in Gang gesetzt, die in einem dritten Weltkrieg mit Einsatz von Nuklearwaffen münden könnte.
»Wer A sagt, muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war«, hat Bertolt Brecht einmal gesagt. Da man sich zum Eingeständnis eigener Fehler weder in der Ampel noch in der Union durchringen kann, sind alle vernünftigen Kräfte gefragt, den öffentlichen Druck zu erhöhen und die Erkenntnis weiter zu verbreiten: Es gibt für diesen Konflikt keine militärische Lösung! Wer mit deutschen Waffen den Krieg nach Russland tragen will, der trägt den Krieg nach Deutschland und setzt damit unser größtes Gut fahrlässig aufs Spiel: ein Leben in Freiheit, Frieden und Sicherheit.
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Franco-Spanien schickte gegen die Sowjetunion die »Blaue Division«, die offiziell, so etwa wie vorher im spanischen Krieg die »Legion Condor« der Nazis war, nur aus »Freiwilligen« bestand; weder erklärte Franco der UdSSR den Krieg noch umgekehrt. Das sicherte der Franco-Tyrannei weitere 30 Jahre Fortbestehen, bald sogar in recht gutem Verhältnis zur größten aller westlichen Demokratien, die dafür Stützpunkte erhielt.
Die Volksrepublik China entsandte andererseits 1950, als die KVDR wankte, die sog. »Volksfreiwilligen« in den Koreakrieg, von denen ein großer Teil getötet oder verwundet wurde; formal bestand dennoch kein Kriegszustand zwischen »Volkschina« – im Adenauerstaat immer »Rotchina« genannt – und den USA. Im Gegensatz zu diesen zogen sich die chinesischen Truppen bald nach dem Waffenstillstand 1953 aus Korea zurück.
Die Gefahr einer Eskalation zum Dritten Weltkrieg ist allerdings ganz real.
Sahras Schlussfolgerungen sollten wir uns sehr zu Herzen nehmen. Russische Medien meinen übrigens, Macron wolle eh nur benennen, was seit langem im Gange sei: der Einsatz vieler französischer »Experten« bzw. »Freiwilliger« an der antirussischen Front.
Zum Schluss: Der Krieg in der Ukraine geht bald in sein elftes Jahr, liebe Sahra, nicht in sein drittes. Er eskalierte allerdings vor zwei Jahren, als Kiew der zweite Minsker Abkommen endgültig in die Tonne trat, die Donbassstädte massiv angriff und damit Russlands Eingreifen provozierte.
Aber was ist zu tun? Die Doktrin eines Sieges der Ukraine ist überall zu attackieren. Der Ex-NATO-General Harald Kujat hat jüngst in einem Interview mit der Weltwoche dazu einen wichtigen Beitrag geleistet. Der Tenor: die Ukraine hat den Krieg verloren, weil ihr die Soldaten ausgegangen sind und ausgehen. Diese Sichtweise sollte Frau Wagenknecht in einem offenen Brief an Kanzler Scholz und die Ampel- und CDU-NATO-geilen Politiker publizieren. Frau Wagenknecht, schreiben Sie bitte! Und die Kriegsbeteiligung unseres Landes wird nicht durch die Strack-Zimmermans und Kiesewetters oder sonst wen, den grünen Kriegsbiologen Hofreiter, definiert, sondern durch den Gegner, die Russische Föderation, die die Infrastruktur unseres Landes ohne Atomwaffen platt schlagen könnte. Es muss nicht immer das Atom sein. Auch mit konventionellen Waffen würde unser Land zerstört und besiegt. (…)
Noch einmal zur Idee mit dem offenen Brief: Wir im Westen erinnern uns an den »Krefelder Appel« in den 80ger Jahren gegen die »Nachrüstung« mit Pershing-2-Raketen. Es kamen Millionen Unterschriften der Bürger zusammen. Warum nicht in einer viel bedrohlicheren Situation einen ähnlichen Appell gegen die Kriegsbesoffenheit unserer politischen Eliten und ihrer medialen Helfershelfer. Klar, der Appell kann heißen, wie er will, vielleicht Berliner Appell. Die organisatorische Arbeit ist groß, sie könnte mit Bündnispartnern Ihrer Partei geschultert werden, zum Beispiel durch »Aufstehen« und durch Organisationen der Gewerkschaften und durch andere fortschrittliche friedensliebende Organisationen. Bitte, erwägen Sie auch das auch!