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Aus: Ausgabe vom 21.02.2024, Seite 16 / Sport
Nachruf

Eine coole Zeit

Mit links, mit rechts, aber immer ins Schwarze: Zum Tod von Andi Brehme
Von Leonhard Furtwängler
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Die Einstellung stimmte: Andi Brehme (oben) feiert Olaf Marschall (r. unten), 31.10.1997

Nicht das Gesicht, der Fuß des WM-Sieges 1990 war er. Wenige Wochen nach seinem damaligen Teamchef Franz Beckenbauer ist Andreas »Andi« Brehme in der Nacht zu Dienstag im Alter von 63 Jahren an einem Herzstillstand verstorben. Als Linksverteidiger zählte Brehme zu den prägenden Spielern der BRD-Auswahl beim Turnier in Italien. Im Finale in Rom gegen Argentinien verwandelte er in der 85. Minute einen Foulelfmeter zum entscheidenden 1:0 – präzise mit dem rechten Fuß ins linke untere Eck, anschließend ikonischer Jubelsprung. Lothar Matthäus hatte sich nicht getraut, der neue Schuh und so. Fortan stand Brehme in einer Reihe mit Helmut Rahn und Gerd Müller.

Der gebürtige Hamburger bestritt insgesamt drei WM-Endrunden. Auch 1986 stand er mit dem DFB-Team im Finale gegen Argentinien, ohne Glück. Sein früherer Mitspieler Karl-Heinz Rummenigge erinnerte an die gemeinsame Zeit: »Wir haben zusammen die WM 1986 in Mexiko gespielt, und Andi war ein großartiger Teamplayer, extrem loyal und zuverlässig. Seine Lebensfreude war immer ansteckend.«

Die beste Zeit als Vereinsspieler hatte Brehme bei Inter Mailand. An der Seite seiner Nationalmannschaftskollegen Lothar Matthäus und Jürgen Klinsmann wurde er Meister (1989) und UEFA-Cup-Sieger (1991). Der italienische Traditionsklub schrieb auf X, vormals Twitter: »Ein großartiger Spieler, ein großer Interista. Ciao Andy, für immer eine Legende.« Inter kündigte an, die Mannschaft werde im Champions­-League-Spiel an diesem Dienstag gegen Atlético Madrid Trauerflor tragen.

Nach seinem Profidebüt 1980 beim 1. FC Saarbrücken in der zweiten Liga lief Brehme in der Bundesliga für den 1. FC Kaiserslautern und den FC Bayern München auf. Mit beiden Klubs gewann er die deutsche Meisterschaft. Die Roten Teufel von Trainer Otto Rehhagel führte er 1998 als Kapitän nach dem Aufstieg direkt zum Titel. Es war das wohl spektakulärste Comeback der Bundesligageschichte. Zwei Jahre zuvor war Brehme mit seinem Herzensklub, für den er insgesamt zehn Jahre auflief, nach einem dramatischen 1:1 gegen Leverkusen abgestiegen und hatte an der Brust seines Freundes Rudi Völler, der damals für Leverkusen spielte, bittere Tränen geweint.

»Wir hatten eine coole gemeinsame Zeit bei der Nationalmannschaft und vor allem in Kaiserslautern«, sagte Brehmes früherer Mitspieler Stefan Kuntz: »Als Fußballer habe ich selten jemanden gesehen, der so beidfüßig und variabel einsetzbar war. Er hat in den entscheidenden Momenten Verantwortung übernommen.« »Niemand von uns wird Andreas Brehme jemals vergessen – weil er mehr ist als ein 1:0 im WM-Finale von Rom. Wir haben einen großartigen Menschen und einen treuen Freund verloren«, sagte Bayern-Ehrenpräsident Uli Hoeneß. Kurzzeitig war Brehme 1992/1993 auch für Real Zaragoza am Ball.

Nach seiner Spielerkarriere versuchte er sich als Trainer, mit Stationen beim FCK, der SpVgg Unterhaching und als Kotrainer des VfB Stuttgart. 2006 war Schluss. Später investierte Brehme als Geschäftsmann in ein Unternehmen für Rasen- und Kunstrasenplätze, einen Sicherheitsdienst und eine Agentur zur Spielerberatung. Hinzu kamen die üblichen Tätigkeiten renommierter Exprofis: DFB-Botschafter, Experte am Spielfeldrand, Berater. Letzteres für den serbischen Klub Vojvodina Novi Sad.

Auch als Fußballpoet gehört Brehme in die erste Reihe. Ein Blick in die Perlenschatulle: »Wenn der Schiri den Elfmeter gibt, dann hätten wir noch was zerreißen können«, »So, wie wir in der ersten Halbzeit gespielt haben, haben wir in der zweiten Halbzeit nichts verloren«, »Zum Glück ist die Mannschaft nach dem Spiel besser ins Spiel gekommen«. Seine Paradedisziplin waren Tautologien: »Von der Einstellung her stimmt die Einstellung«, »Wenn der Mann in Schwarz pfeift, kann der Schiedsrichter auch nichts mehr machen«, »Das Unmögliche möglich zu machen wird ein Ding der Unmöglichkeit«. Seine schönste ist zum geflügelten Wort geworden: »Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß.«

Verabschieden wir uns von Andi Brehme mit Andi Brehme: »Ich sage nur ein Wort: vielen Dank!«

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