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Aus: Ausgabe vom 21.02.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Australiens Wohnungsmarkt

Australiens Wohnungskrise

Mieten in immer mehr Städten unbezahlbar. Staatsversagen beim Bau von Sozialwohnungen
Von Thomas Berger
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»Für immer mehr Menschen unbezahlbar«: Zelte von Obdachlosen im Zentrum von Sydney

Längst schlagen auch staatliche Institutionen Alarm. Die Wohnungskrise hat in Australien dramatische Ausmaße angenommen. In den Innenstädten der Metropolen müssen Abertausende einen so hohen Anteil ihres Einkommens für die Miete aufbringen, dass ihnen kaum mehr genug Geld fürs Essen bleibt. Auch in den Vororten ist eine bezahlbare Bleibe zum denkbar knappen Gut geworden. Und selbst in den ländlichen Kleinstädten sind immer mehr Menschen von Obdachlosigkeit bedroht.

In vielen Regionen ist bereits der Notstand ausgerufen, doch die Lage dürfte sich im Laufe dieses Jahres fast überall weiter verschlimmern. Zum Jahreswechsel verzeichneten nur Canberra und Tasmaniens Hauptstadt Hobart leicht sinkende Durchschnittsmieten. Überall sonst ging es weiter stramm aufwärts.

Zu Bekanntheit hat es zuletzt eine alleinerziehende Mutter aus Perth, der Regionalmetropole im Westen, gebracht. Medien wie die Daily Mail wurden auf eine Spendenkampagne aufmerksam, die eine Freundin der Frau gestartet hatte. Die Betroffene ist dabei, für sich und ihre Tochter einen Stall provisorisch zu Wohnzwecken umzugestalten, um nicht auf der Straße zu landen. Zehn Jahre lang hatte sie pünktlich ihre Miete gezahlt, in den vergangenen Monaten intensiv eine neue Wohnung gesucht, ohne Erfolg.

In Perth sind die Mieten im vergangenen Jahr um stolze 13 Prozent gestiegen, im landesweiten Durchschnitt liegt das Plus bei rund acht Prozent. Im Westen ist der Wohnungsmarkt schon lange besonders angespannt. In Perth liegt die Quote freier Wohnungen bei nur 0,7 Prozent, da kommen zu einem Besichtigungstermin schon mal mehr als 100 Interessierte.

Verschiedene Medien erinnern die Regierung an ihr Versprechen, landesweit binnen fünf Jahren 1,2 Millionen neue Wohnungen bauen zu lassen, die meisten im bevölkerungsreichsten Bundesstaat New South Wales. Dort wird die Metropole Sydney für immer mehr Menschen unbezahlbar. Laut jüngsten Erhebungen hat die Stadt zuletzt doppelt so viele Einwohnende der Altersgruppe 30 bis 40 verloren, wie neu zugezogen sind. Eine Aussicht auf eine Sozialwohnung besteht hier angesichts überlanger Wartelisten aber dennoch frühestens nach zehn Jahren.

Jüngste regierungsamtliche Daten unterstreichen das staatliche Versagen der vergangenen Jahrzehnte: Im Bundesstaat Victoria (mit der zweitgrößten Metropole Melbourne) sind zwischen 2018 und 2022 netto nur 74 Sozialwohnungen hinzugekommen. Landesweit waren es 2006 bis 2022 immerhin 36.000, so das Australian Institute of Health and Welfare – das macht im Schnitt aber lediglich 2.260 pro Jahr, was den immensen Bedarf nicht einmal ansatzweise deckt. Laut einer Studie aus dem vergangenen Sommer sagen 75 Prozent der Mieter, dass die Wohnungskrise ihre mentale Gesundheit beeinträchtigt. Sorgen, die steigende Miete bald nicht mehr bezahlen zu können oder nach einer Kündigung keine Bleibe mehr zu finden, bringen immer mehr Menschen aus dem seelischen Gleichgewicht.

Schon jetzt ist die versteckte Obdachlosigkeit immens: Familien verbringen die Sommer in Zelten, Seniorenpaare hausen nach einem langen Arbeitsleben in einem abgehalfterten Caravan, weil die schmale Rente für eine Wohnung nicht reicht.

Zahlen zum Anteil der Sozialwohnungen am Gesamtbestand sind kaum zu finden. Für den nordöstlichen Bundesstaat Queensland liegt eine Studie aus dem vergangenen Jahr vor. In den frühen 90er Jahren habe der Anteil bei mehr als sechs Prozent gelegen, schreiben die Autoren der University of Queensland. Er sei bedrohlich gesunken und liege aktuell unter vier Prozent.

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