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Aus: Ausgabe vom 21.02.2024, Seite 2 / Inland
Luftsicherheit an Flughäfen

»Streik ist das einzige Gegenmittel«

Nach vier Tarifrunden keine Einigung mit privaten Unternehmen der Luftsicherheit. Diese stellen Vorbedingungen. Ein Gespräch mit Özay Tarim
Interview: Susanne Knütter
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Verdi-Warnstreik von Bodenpersonal am Flughafen Düsseldorf (1.2.2024)

In der aktuellen Tarifrunde für die Beschäftigten der privaten Luftsicherheitsunternehmen gab es bisher einen ganztägigen Streik. Am Flughafen Berlin-Brandenburg fielen alle Flüge aus. Wie war die Beteiligung in Nordrhein-Westfalen?

In Köln können wir von 100 Prozent sprechen. In der Personal- und Warenkontrolle, die z. B. Fracht von UPS, Fed-Ex und DHL kontrolliert, haben alle mitgemacht. Gleiches gilt für die Fluggastkontrolle in Köln. Deshalb ist da keine einzige Maschine abgeflogen. Die Haltung der Beschäftigten ist eindeutig.

Ein anderes Bild zeigt sich am viel größeren Flughafen Düsseldorf. Dort arbeiten alleine bei der Fluggastkontrolle circa 1.200 Beschäftigte. In Köln sind es 700. Wegen der Personalmisere, die insbesondere im Jahr 2022 zu langen Warteschlangen und chaotischen Zuständen geführt hat, gab es in Düsseldorf in den letzten zwei Jahren viele Neueinstellungen. Ausschließlich in Teilzeit. Und befristet. Beim Streik versucht der Arbeitgeber über die befristeten Beschäftigten den Betrieb aufrechtzuerhalten. Das haben wir bei den letzten Streiks gesehen. Das Streikrecht gilt auch für befristet Beschäftigte, aber die Debatte bleibt schwierig. Wir können die Beschäftigten, die einen befristeten Vertrag haben, nicht schützen. Der Arbeitgeber gibt ja keinen Grund an, warum er den Vertrag verlängert oder nicht.

Warum werden für die Sicherheitskontrollen überwiegend Teilzeitkräfte eingestellt?

Das hat mit den Winter- und Sommerflugplänen zu tun. Die Unternehmen nehmen sich die Freiheit, zu sagen: Im Sommer, wenn ich dich brauche, kannst du mehr arbeiten. Im Winter, wenn weniger zu tun ist, habe ich kein Risiko, mehr bezahlen zu müssen. Das ist ein Missstand, den wir seit Jahren kritisieren.

In der aktuellen Tarifrunde geht es nicht um Vollzeit und Teilzeit, sondern um höhere Löhne und einen Mehrarbeitszuschlag.

Bei der Luftsicherheit gibt es keine Wochenarbeitszeit wie im öffentlichen Dienst, sondern eine Monatsarbeitszeit. Diese sieht bspw. für einen Vollzeitbeschäftigten in der Fluggastkontrolle eine Monatsarbeitszeit von 160 Stunden vor und erst ab einer monatlichen Arbeitszeit von 180 Stunden einen Mehrarbeitszuschlag von 25 Prozent. Die Beschäftigten fordern nun einen Zuschlag von 30 Prozent ab der ersten Stunde Mehrarbeit. Die Unternehmen weigern sich und wollten sogar die bisherige Regelung noch einmal verschlechtern. Auch hier sind Teilzeitkräfte noch einmal benachteiligt. Eine Beschäftigte in der Fluggastkontrolle mit 120 Stunden im Monat bekommt derzeit erst ab 180 Stunden einen Mehrarbeitszuschlag – obwohl entsprechende Urteile vom Bundesarbeitsgericht und dem Europäischen Gerichtshof das verbieten.

Diesen Mittwoch findet die fünfte Tarifrunde statt. Der Bundesverband der deutschen Luftsicherheitsunternehmen ist der Meinung, bereits deutlich auf Verdi zugegangen zu sein.

Wir fordern 2,80 Euro mehr pro Stunde, weil wir die letzten zwei Inflationsjahre richtig im Portemonnaie gespürt haben. Bevor die Sicherheitsunternehmen uns überhaupt ein Lohnangebot unterbreitet haben, haben sie eine Gegenforderung gestellt. Man wollte mit uns eine Schlichtungsvereinbarung unterschreiben, in der uns Regeln vorgegeben werden sollen, wie wir uns im Tarifkonflikt zu verhalten haben. Wir haben klargemacht, dass wir keine Vorbedingungen akzeptieren werden, die unsere Grund- und Streikrechte einschränken könnten. Weil der Verband nicht von dieser Vorbedingung ablassen wollte, war klar, dass wir auf so etwas irgendwann reagieren müssen. Das war dann der Streik Ende Januar, Anfang Februar.

Ähnliche Vorbedingungen werden mittlerweile standardmäßig auch von anderen Wirtschaftsverbänden und Politikern gefordert, sobald im Verkehr gestreikt wird. Könnten solche Vorwegschlichtungsvereinbarungen in Zukunft auf der politischen Agenda stehen?

Das darf tatsächlich nicht sein. Man sagt ja, wir haben eine Tarifautonomie. Das ist kein Thema, was die Politik lösen soll. Wir streiken nicht einfach nur des Streiks willen. Aber wenn wir merken, da gibt es eine Verweigerungshaltung oder keine Bewegung oder die Verhandlungsseite spielt auf Zeit, dann muss man zu diesem Mittel greifen. Streik ist das einzige Gegenmittel der Beschäftigten auf den Arbeitgeber, der meint, hier die Vorgaben diktieren zu wollen.

Özay Tarim ist Verdi-Sekretär für die Luftsicherheitsbranche an NRW-Verkehrsflughäfen

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