4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 20.02.2024, Seite 8 / Ansichten

Spiel mit dem Feuer

EU-Marineeinsatz
Von Wiebke Diehl
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Engpass für den Welthandel: Der Westen der Sinaihalbinsel mit dem Suezkanal (27.1.2023)

Sie tun es also wieder: Ein weiteres Mal stürzt sich die EU am Rockzipfel der USA in ein militärisches »Abenteuer«. Aus zwei Jahren Ukraine-Krieg, der für ganz Europa bis heute unabsehbare Folgen bis hin zu einer großflächigen Eskalation haben kann, hat man ganz offensichtlich nichts gelernt. Während man sich in der Ukraine durch Waffenlieferungen in Kombination mit der Ausbildung von Soldaten – inklusive Faschisten des »Asow«-Regiments – »für Demokratie und Freiheit« längst zur Kriegspartei gemacht hat, gilt jetzt frei nach Ursula von der Leyen: Die deutsche Wirtschaft wird auch im Roten Meer verteidigt. Zwar greifen die Ansarollah gar nicht die »Freiheit der Schiffahrt« als solche an. Erklärtes Ziel sind Schiffe mit Israel-Bezug und, seit die USA und Großbritannien den Jemen angreifen, auch deren Kriegs- und Handelsschiffe. Aber wenn Washington ruft, steht man eben stramm bei Fuß.

Die Angriffe der Ansarollah werden nicht enden, solange der Gazakrieg fortgeführt und die Blockade des Küstenstreifens aufrechterhalten wird. Daran werden ein paar deutsche, belgische, italienische und französische Kriegsschiffe mit Sicherheit nichts ändern. Seit US-Amerikaner und Briten den Jemen bombardieren, wirken die De-facto-Herrscher des Nordjemen nur noch entschlossener. Endlich könne man die »imperialistischen Mächte«, ohne deren Unterstützung die von Saudi-Arabien angeführte Kriegskoalition ihre Angriffe auf den Jemen schon kurz nach deren Beginn im März 2015 hätte einstellen müssen, direkt bekämpfen. Von ihren arabischen Nachbarn fordern sie einen Landkorridor, um direkt in den Gazakrieg eingreifen zu können. Aber was Washington ganz besonders schmerzt und worum es eigentlich geht: Die Ansarollah haben der ganzen Welt vor Augen geführt, dass die USA und mit ihnen der gesamte »Wertewesten« ihre Fähigkeit, die globalen Seewege zu kontrollieren, unwiederbringlich verloren haben.

Und da will die EU nun also mit einer »rein defensiven« Militärmission gegensteuern. Bombardierungen von Stellungen der Ansarollah mit zivilen Kollateralschäden an der Seite Washingtons und Londons soll es nicht geben – zumindest offiziell. Aber was, wenn die »Huthis« die mit Flugabwehrraketen ausgestatteten Kriegsschiffe angreifen, die ihre »Solidarität mit dem palästinensischen Volk« zu stören gekommen sind und »das Rote Meer militarisieren«? Vom gefährlichsten Einsatz seit vielen Jahrzehnten sprach in der vergangenen Woche der deutsche Marineinspekteur Jan Christian Kaack. Schaut man sich den EU-Ratsbeschluss und den Mandatstext der Bundesregierung an, weiß man, was er noch gemeint haben könnte: Mit dem Golf von Oman, dem Persischen Golf und der Straße von Hormus erstreckt sich das Einsatzgebiet weit über die von Angriffen der Ansarollah betroffene Region hinaus – und in die direkte Einflusszone des Iran hinein.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (20. Februar 2024 um 18:47 Uhr)
    »Aus zwei Jahren Ukraine-Krieg, der für ganz Europa bis heute unabsehbare Folgen bis hin zu einer großflächigen Eskalation haben kann, hat man ganz offensichtlich nichts gelernt.« Zwei Jahre? Ein gewisser Herr Sirskij redet von zehn Jahren: »Sirskij selbst (…) bedankte sich bei den früheren Kommandeuren und Veteranen der Armee, die ›in den zehn Jahren des russisch-ukrainischen Krieges‹ alles unternommen hätten (…) ›die Fähigkeiten der ukrainischen Armee – das wahre, solide Fundament unserer Staatlichkeit – wiederherzustellen‹« (jW vom 10.2.2024, Seite 2, www.jungewelt.de/artikel/469000.ukrainische-armee-selenskij-feuert-konkurrenten.html). Aber auch aus zehn Jahren Krieg »hat man (…) nichts gelernt«.
  • Leserbrief von Holger K. aus Frankfurt (19. Februar 2024 um 19:59 Uhr)
    Vor dem Ersten Weltkrieg ließen Wilhelm und Co. zum »Panthersprung« ansetzen, das vollzog sich im Mittelmeer, mit einem Sog hin zum großen Krieg. Nun ist der hiesige Wertestaat zu einem Haisprung bereit, alles im Namen von Freiheit und Sicherheit, auf dass der moralisierende Schaum nur so sprüht. Vor den Küsten Chinas hat sich die deutsche Marine auf die Lauer gelegt, da könnte es ja auch demnächst krachen, wenn die USA mal wieder stänkern und ggf. auch losschlagen wollen. Der deutsche Staat hat sich zu eigen gemacht, dass »dabei sein ist alles« das Gebot der Zeit ist, jetzt in der ausgerufenen sogenannten Zeitenwende. »Viel Feind, viel Ehr« hieß es einst zu Kaisers Zeiten, warum nicht jetzt auf ein Neues Altes. Da nach hiesiger Auffassung die Freiheit nicht nur am Hindukusch zu verteidigen ist, heißt es bereit sein und das mittlerweile weltweit. Am großen Bankett möchte der deutsche Herrschaftsapparat schließlich auch zugegen sein. Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass »Verantwortung« zielsicher in Krieg, Leid und Elend führte und so wird es vorerst auch bleiben.

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