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Aus: Ausgabe vom 20.02.2024, Seite 1 / Inland
Ausbau von LNG-Infrastruktur

Ökonomen stellen LNG-Terminals in Frage

DIW sieht Begründung für überhetzten Ausbau von LNG-Infrastruktur »zu keinem Zeitpunkt« gegeben
Von Wolfgang Pomrehn
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Eine Gasmangellage, wie sie zur Begründung des stark beschleunigten Ausbaus der Landeinfrastruktur herangezogen wurde, gab es im Grunde nie

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin hat einen Blick auf die deutsche Versorgung mit Erdgas der vergangenen Jahre geworfen, und kommt zu einem bemerkenswerten Urteil: »Eine Gasmangellage, mit der der beschleunigte Ausbau von Flüssigerdgas (LNG)-Infrastruktur seit dem Sommer 2022 gerechtfertigt wird, trat zu keinem Zeitpunkt ein.« Auch im gegenwärtigen Winter sei der Verbrauch gesichert, so das Institut. Damit stellt es die besondere Eile in Frage, mit der gerade vor Rügen der Bau eines LNG-Terminals und einer Pipeline betrieben wird, die das Gas auf das Festland pumpen soll.

Der Pipelinebau hatte sich in den vergangenen Monaten verzögert, so dass das zuständige Bergamt in Stralsund eine Ausnahmegenehmigung für die Bauarbeiten über das Jahresende hinaus erteilt hat. Die Entscheidung ist insbesondere in der Kritik, weil die Pipeline durch ein wichtiges Laichgebiet des in seinem Bestand gefährdeten Ostseeherings führt, der durch die Arbeiten gestört werden könnte.

Die EU bezieht derweil noch immer Erdgas aus Russland, wenn auch nicht mehr im ursprünglichen Umfang und nicht mehr durch die sabotierten Nord-Stream-Pipelines am Boden der Ostsee. In der ersten Hälfte 2021 waren es 80 Milliarden Kubikmeter, in der zweiten Hälfte 2023 noch 24 Milliarden Kubikmeter. Der Import über Polen und über Nord Stream wurde ganz eingestellt, Einfuhren über die Ukraine auf 7,5 Milliarden Kubikmeter mehr als halbiert. Dafür wurde der Import via Türkei auf 8,5 Milliarden Kubikmeter (zuvor 5,5 Milliarden) gesteigert und auch etwas mehr russisches Erdgas als LNG eingeführt (zweites Halbjahr 2023 acht Milliarden Kubikmeter, zuvor 7,5 Milliarden).

Der Verbrauch in der Bundesrepublik ist zurückgegangen und liegt inzwischen deutlich unter dem Durchschnitt der Jahre 2018 bis 2021. Entsprechend sei auch der Großhandelspreis wieder in etwa auf das Vorkrisenniveau zurückgegangen. Vor diesem Hintergrund fordert das Institut, die LNG-Ausbaupläne zu überdenken, und sieht vor allem die Anlage auf Rügen kritisch.

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