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Aus: Ausgabe vom 19.02.2024, Seite 16 / Sport
Sportpolitik

Ein Haufen Scherben

Wie der Bund die Länder und Kommunen mit maroden Sportstätten allein lässt
Von Andreas Müller
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Rostige Aussichten

Statt stolz zu sein, dass Klara Geywitz hier als Schwimmtalent lernte und trainierte und 1995 ihr Abitur »baute«, behandelt die Potsdamer »Eliteschule des Sports« diese Personalie wie ein Staatsgeheimnis. Ihr sportlicher Hintergrund müsste bei der Bundesbauministerin ein »Herz für den Sport« garantieren. Doch dass eine frühere Leistungsschwimmerin das hohe Amt bekleidet, ändert nichts an den Zuständen der Sportanlagen, sie verkommen weiter. Nachdem die Ampelregierung bereits den »Investitionspakt Sportstätten« Ende 2022 beerdigt hatte, wurde in der »Ära Geywitz« nun die letzte Bundeshilfe zur Sanierung der maroden Sportstättenlandschaft verknappt. Gerade noch 200 Millionen Euro sind für das Programm zur »Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur« (SJK) reserviert. Geld, das für im Vorjahr angemeldete und genehmigte Projekte bereitstehe. Mit diesen 200 Millionen Euro könne die »Förderrunde 2023« abgeschlossen werden, heißt es auf jW-Anfrage aus dem Bauministerium.

Das SJK-Programm verfügt 2024 nur noch über den halben Etat des Vorjahres. 2022 lag die Summe noch bei 476 Millionen Euro. Zum Ende des »Sportstättenpakts« hieß es von Seiten der Sterbehelfer, das sei nicht weiter tragisch. Es gebe ja noch diesen SJK-Topf, wurde gegenüber Kommunen und Ländern beschwichtigt, die laut Gesetzeslage für die Sportstätten – mit Ausnahme des Spitzensports – verantwortlich sind. Jetzt ist dieser »nationale Topf« abermals kleiner geworden, nachdem zwischen 2015 und 2021 insgesamt 1,54 Milliarden Euro daraus flossen. Mehr als einen Restbetrag will der Bund zur Sportstättensanierung nicht mehr beisteuern. Kommunen und Länder werden mit einem Scherbenhaufen allein gelassen. Der sogenannte Sanierungsstau ist gigantisch. Für die bundesweit rund 231.000 Sportanlagen bewegt er sich je nach Berechnungen zwischen mindestens 13 Milliarden Euro und rund 50 Milliarden Euro.

»Immer wieder wird der Breitensport gelobt als wichtige Stütze fürs Zusammenleben, für die Gesundheit der Menschen und für viele andere Werte. Doch Geld dafür will niemand geben. Beim Sport wird gern gespart«, weiß Maren Nagel. Wenn die Geschäftsführerin des Schwimmverbands Brandenburg von der geschlossenen Schwimmhalle in Spremberg spricht, der Notsanierung in Strausberg oder von den Sorgenkindern in Frankfurt (Oder) und Senftenberg, lässt sich erahnen, wie die Menschen dort um ihre Bäder bangen. Und da, wo sie noch geöffnet sind, verlangen die Städte in ihrer Not von den Vereinen schon mal 60 Euro oder mehr pro Stunde und Bahn, was wiederum die Mitgliedsbeiträge treibt. »So sind die Schwimmer«, sagt Maren Nagel, »gegenüber anderen Sportarten zusätzlich gestraft.«

Die Halbierung des SJK-Budgets versah das Bundesfinanzministerium mit der Drohung, dieses Programm letztmalig weiterzuführen. Wie dumm. Ausgerechnet jetzt, da weit und breit keinerlei finanzielles Äquivalent in Sicht ist, die Situation der Sportstätten zwischen Friedrichshafen und Flensburg nicht besser wird und parallel dazu die Baubranche wegen steigender Zinsen sowie gestiegener Kosten und vielen gestoppten Projekten tief in die Krise rutscht. Auch wenn so die Kosten für staatliche Aufträge steigen – nie hat es in der jüngeren Vergangenheit so viele freie Kapazitäten am Bau gegeben, die für eine gründliche Sanierung von Sportstätten bereitstünden. Gerade jetzt ein weitreichendes Sanierungsprogramm im Stile des »Goldenen Plans«, das wäre für Sportstätten so nützlich wie für die gebeutelte Bauwirtschaft und den Erhalt Tausender Arbeitsplätze. Für die Sporttreibenden sowieso.

Von höheren Millionenbeträgen für die Erweiterung ihrer Bundestagsgebäude und für den Bau eines neuen Bundespräsidialpalastes lassen sich die Parlamentarier an der Spree nicht schrecken. Warum also kein »Sondervermögen Sport« über mindestens zehn Jahre hinweg beschließen, was in Zeiten wie diesen zugleich den Zusammenhalt stärkte. Der Ruck würde zig Millionen Menschen, ob in fast 90.000 Sportvereinen organisiert oder nicht, würde Millionen Schüler und Eltern, die gleichermaßen unter der Misere des Sportunterrichts leiden, in positive Schwingungen versetzen. So könnte es sein: Endlich besinnt sich dieser Staat auf den »kleinen Sport« und dessen elementare Voraussetzungen. Endlich hält die Politik nicht mehr nur Sonntagsreden auf eine exorbitante gesellschaftspolitische Kraft inklusive ihrer circa acht Millionen Ehrenamtlichen. Endlich wird angepackt und in einem gemeinsamen Kraftakt von Bund, Ländern und Kommunen in die sportliche Basis investiert – statt bei den Menschen weiterhin ein genau gegenteiliges Gefühl zu kultivieren.

Bei Amtsantritt im Herbst 2021 versprach die Ampel, dem Verfall der Sportstätten den Kampf anzusagen. Wille und Geld des Bundes zur Sanierung und Instandhaltung sind verlässliche Gradmesser für glaubwürdige Politik. Ein Wortbruch würde nicht nur das Demokratieverständnis sportaffiner Bürger berühren und den weiteren Verfall auch von Bädern, Hallen und Sportplätzen bedeuten. Das nicht eingelöste Versprechen geriete noch anders zum Fiasko, merkte Sportwissenschaftler Lutz Thieme von der Hochschule Koblenz jüngst im Deutschlandfunk an: »Ich halte es für schlichtweg nicht denkbar, dass der Zuspruch für die Bewerbung Olympischer Spiele durch die Bevölkerung erfolgt, wenn es kein ausreichend gesichertes Niveau des Schulsports, des Vereinssports und des kommunalen Sports gibt. Meine These ist, dass die Zustimmung der Bevölkerung zu Olympischen Spielen davon abhängt, welches Niveau vor Ort für das kommunale Sporttreiben zur Verfügung steht.«

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