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Aus: Ausgabe vom 19.02.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Investitionen in Öl und Gas

Die Welt im Ölrausch

Norwegische Konzerne planen für 2025 Rekordinvestitionen in die Förderung fossiler Energieträger
Von Wolfgang Pomrehn
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Klimaschutzaktivisten protestierten bereits im September, hier in London, gegen die Ausweitung der norwegischen Öl- und Gasförderung

Das Geschäft mit Öl und Gas läuft offensichtlich noch immer prächtig. Trotz aller weltweiten Proteste, die mehr Klimaschutz einfordern. Am Donnerstag legte das norwegische Statistikamt Zahlen vor, nach denen die dortigen Ölkonzerne so viel wie nie zuvor in Erschließung, Förderung und Transport der fossilen Energieträger aus dem Meeresboden vor der Küste der skandinavischen Halbinsel investieren wollen. Für 2025 werde in Norwegen mit Investitionen in Höhe von umgerechnet 18 Milliarden Euro gerechnet, berichtet die Nachrichtenagentur AFP.

Erwartungsgemäß steigt der Umfang der vorgesehenen Investitionen in den kommenden Monaten weiter an. Mit diesen Plänen steht das skandinavische Land, aus dem die Bundesrepublik zuletzt nach Angaben von Statista 44 Prozent seiner Erdgasimporte bezog, nicht allein da. Weltweit würden 2024 voraussichtlich 244 Milliarden Euro in der Gas- und Ölbranche investiert, heißt es bei der Agentur weiter.

Angesichts der vollmundigen Versprechen, aus den fossilen Energieträgern aussteigen zu wollen, die von den westlichen Industriestaaten zuletzt auf der Weltklimakonferenz im November in Dubai abgegeben wurden, sind diese Zahlen bemerkenswert. Da Pipelines und Förderanlagen mehrere Jahrzehnte laufen müssen, um sich zu amortisieren, bedeutet dies, dass entweder die Versprechen nicht ernst gemeint waren oder aber die Investitionen frühzeitig abgeschrieben werden müssen.

Da letzteres nicht freiwillig geschehen wird, lassen die Pläne der Energiewirtschaft erahnen, wie hart die Auseinandersetzung über den Klimaschutz und den Umbau der Industriegesellschaft noch werden kann. Die vollkommen überzogene Kriminalisierung der »Letzten Generation«, die in den vergangenen Jahren mit ihren Aktionen die Autofahrer genervt hat, ist da nur ein erster Vorgeschmack.

Das Motiv für die neue Investitionswelle ist keineswegs die Versorgungssicherheit, wie gern behauptet. Wenn es um die ginge, könnte ja auch der Ausbau erneuerbarer Energieträger stärker vorangetrieben werden, wie es China gerade vormacht. Man könnte auch den Bedarf reduzieren, indem endlich die öffentlichen Verkehrssysteme besser ausgebaut würden. Doch nichts von dem geschieht, und das Motiv sind ganz schlicht die nach wie vor prächtigen Gewinnaussichten.

Der US-Konzern Exxon Mobil erzielte laut Statista 2023 einen Gewinn von umgerechnet 33,1 Milliarden Euro, nach sogar 51,2 Milliarden Euro im Vorjahr. Der britisch-niederländische Konzern Shell machte demnach 2023 ein Plus 26 von Milliarden Euro, Total Energies aus Frankreich sowie Chevron (USA) jeweils 19,7 Milliarden Euro. Von Saudi Aramco aus Saudi-Arabien liegen noch keine Zahlen für 2023 vor, aber dort würden über 100 Milliarden Euro Gewinn erwartet. Der deutsche Konzern Uniper, der sein Geschäft vor allem mit Gas macht und 2022 nach großen Verlusten verstaatlicht wurde, hat 2023 6,3 Milliarden Euro Vorsteuergewinn gemacht, weshalb man in der Berliner Koalition inzwischen über den Verkauf von zunächst 30 Prozent der Aktien nachdenkt. Sozialisiert gehören schließlich nur die Verluste, während Gewinne unbedingt privatisiert werden müssen.

Derweil ist der Grund für das gute Geschäft der vergleichsweise hohe Ölpreis. Ende vergangener Woche lag er bei knapp 77 Euro pro 159-Liter-Fass (Barrel) für die europäische Standardsorte Brent. Abgesehen von einem Hoch im August und September bewegt er sich seit Ende 2022 in etwa auf diesem Niveau, immer zwischen rund 70 und 80 Euro pro Fass. Das ist vergleichbar mit den Preisen zu Beginn des letzten Jahrzehnts, als die Weltwirtschaft nach der großen Finanzkrise wieder brummte.

Derzeit ist die ökonomische Situation deutlich schlechter. Deutschland hat zum Beispiel im vergangenen Jahr eine leichte Rezession erlebt, ebenso Länder wie Großbritannien oder Japan. Verstärkte Investitionen in neue Energietechnologien könnten womöglich einen Weg aus diesem Loch aufzeigen, die (westliche) Welt befindet sich aber offensichtlich weiter im Ölrausch.

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