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Aus: Ausgabe vom 19.02.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
»Künstliche Intelligenz«

Gute Nachricht gesucht

Microsoft investiert Milliarden in der BRD. Das deutet Kanzler Scholz als gutes Zeichen. Die waren zuletzt Mangelware
Von Klaus Fischer
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Künstliche Intelligenz: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht in der Microsoft-Niederlassung in Berlin

Das momentan nach Börsenwert teuerste Unternehmen der Welt, die Microsoft Corporation, brachte vergangene Woche frohe Botschaft für Krisenkanzler Olaf Scholz: Der Softwareriese kündigte am Donnerstag an, mehr als drei Milliarden Euro in Deutschland investieren zu wollen. Und das ganz ohne die üblichen Subventionen des betreffenden Staates. Kein Wunder, dass Scholz sein Glück kaum fassen konnte.

»Das ist ein guter Morgen für Deutschland«, freute sich der SPD-Politiker und verstieg sich zu eher unangebrachter Begeisterung. Gemessen an der Größe des Landes sei die Bundesrepublik definitiv die erfolgreichste Exportvolkswirtschaft der Welt, behauptete er forsch. Deutschland sei aber nicht nur ein Land, das mit der ganzen Welt Handel treibe und überall investiere, sondern auch Investitionen in das eigene Land ermögliche, zitierte die Nachrichtenagentur dpa das scheinbar historische Geschehen.

Verständlich ist das schon. Gute Nachrichten für Deutschlands Wirtschaft sind nämlich Mangelware. Die von der Politik maßgeblich mitverursachte und angeheizte Krise hält das Land fest im Griff. Nicht konkurrenzfähige Energiepreise, Inflation, Zinsanstieg, Fachkräftemangel, Lieferengpässe und vor allem eine mit Blick auf die deutsche Geschichte unverantwortliche und selbstzerstörerische Konfrontation mit dem vormals wichtigsten Roh- und Brennstofflieferanten Russland, haben den lange Zeit boomenden früheren Exportweltmeister in die Knie gezwungen. Die Wirtschaftsleistung sinkt. Unternehmen verlagern die Produktion ins Ausland, oder machen den Laden dicht. Auch für dieses Jahr rechnen Kapitallobbyisten mit Rezession. Da erscheinen Einzelereignisse wie die verkündete Entscheidung von Microsoft für die inzwischen in arger Erklärungsnot befindlichen Ampelpolitiker wie vom Himmel fallende Sterntaler.

Für den Konzern aus Redmond im US-Bundesstaat Washington sind die paar Milliarden eher Spielgeld. Microsofts Börsenwert hatte sich im Zuge der aktuellen Hysterie um »künstliche Intelligenz« rasant verteuert – dem Konzern stehen also genügend Gelder für die Geschäftskonsolidierung zur Verfügung. Viel mehr ist es letztlich nicht, was angesagt ist. Um die ungeheuren Datenmengen zu bewältigen, die durch eine angestrebte exzessive KI-Nutzung generiert werden, muss der Konzern vor allem sein Cloud-Geschäft an diese Herausforderung anpassen. Und da das nicht in den Wolken stattfindet, sondern mittels riesiger Serverfarmen und einer Unmenge an Elektroenergie geschieht, wappnet sich Microsoft an den Standorten Hessen und NRW für die nahe Zukunft. Die Kunden sind da (u.a. Bayer und RWE), der zentrale Internetknoten DE-CIX in Frankfurt am Main ist etabliert. Nun kann das große Geld mit »Chat-GPT« oder ähnlichem starten.

Was Scholz nicht erwähnte: Microsoft hat viele Milliarden weltweit in die Hand genommen, um den Hauptkonkurrenten Alphabet (Google) nicht davoneilen zu lassen. In Großbritannien will der Konzern 2,5 Milliarden Pfund (knapp drei Milliarden Euro) einsetzen, in Australien ebenfalls. Eine Hommage an den supertollen Wirtschaftsstandort Deutschland ist das eher nicht. Und das Vereinigte Königreich steht wirtschaftlich auch nicht viel besser da, als die Scholz-Habeck-BRD.

Was die Kunden mit den neuen KI-Angeboten machen, ist auch noch nicht so klar – vor allem aus Sicht der Profitabilität. Vielleicht feuern auch bloß die verbliebenen Mainstreammedien ihre Redakteure und lassen die Roboter als Journos dilettieren. Wer weiß? Beim Bedarf muss Microsoft jedenfalls noch ein wenig nachhelfen. Damit es nicht zu viele Unsicherheiten gibt, kündigte Präsident Bradford Lee Smith in Berlin zugleich an, dass sein Konzern ein »KI-Weiterbildungsprogramm« etablieren wolle. Damit sollen bis zu 1,2 Millionen Menschen erreicht werden.

Eine ganz spannende Frage ist dann noch, wer den Strom für die Serverfarmen liefern soll, und woher er zu welchem Preis kommt. Die Kooperation mit RWE deutet da einiges an. An einem zeitweiligen Abschalten der Rechenzentren wegen Dunkelflaute dürfte der US-Konzern jedenfalls nicht interessiert sein.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (18. Februar 2024 um 23:28 Uhr)
    Dunkelflaute? Die Herren Habeck, Lindner und Scholz haben sich doch auf 10 GW H2-ready-Gaskrafwerksausschreibungen geeinigt. Wenn die Drei auf den Fahrradgenerator springen, kann doch überhaupt nichts mehr schiefgehen. Nebenbei könnten sie noch feuchte Luft in die Dampfturbine rülpsen, dann ginge endlich die Netzfrequenz auch in Europa auf 60 Hertz.

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