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Aus: Ausgabe vom 17.02.2024, Seite 8 / Inland
Junge Beschäftigte in Hessen

»Die Auszubildenden sind motiviert zu kämpfen«

Hessen: Gewerkschaften verhandeln neue Tarifverträge im öffentlichen Dienst. Ein Gespräch mit Stefan Claus
Interview: Gitta Düperthal
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Arbeiterinnen und Arbeiter folgen dem Aufruf von Verdi zum Warnstreik (Wiesbaden, 21.3.2023)

Beim Auftakt der Tarifverhandlungen für die hessischen Landesbeschäftigten ging es am Mittwoch in Wiesbaden auch um die Vergütungen der Auszubildenden im öffentlichen Dienst. Was fordert die Gewerkschaft, wie ist die Stimmung?

Für Auszubildende fordern wir 260 Euro mehr im Monat. Viele Azubis bekommen nach der Ausbildung nur befristete Verträge. Wir fordern, sie nach bestandener Prüfung ohne Bedingungen unbefristet zu übernehmen. Der Arbeitgeber soll denen, die nach der Ausbildung beim Land weiterarbeiten, eine Bindungsprämie von 1.000 Euro zahlen. Die Laufzeit des Tarifvertrags beträgt zwölf Monate.

Uns freut es, dass schon zum Verhandlungsauftakt 400 Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter vor dem Innenministerium lautstark ihre Unterstützung kundtaten. Sie hielten Transparente mit den Forderungen hoch oder Schilder einzelner Dienststellen, um zu zeigen, dass sie da waren. Schon jetzt nahmen sich viele Kolleginnen und Kollegen Zeit, obgleich kein Streik angesagt war. Das zeigt, wie wichtig es ihnen ist.

Um welche Arbeitsbereiche geht es?

Die rund 45.000 von den Verhandlungen betroffenen Landesbeschäftigten arbeiten zum Beispiel in Landesdienststellen, Ministerien, bei der Justiz, dem Finanzamt, an Universitäten, in Forstämtern, beim Straßen- und Verkehrsmanagement, in Schulen oder bei der Polizei. Die studentischen Hilfskräfte wollen, dass für sie überhaupt erstmals ein Tarifvertrag gilt.

Hessen ist als einziges Bundesland nicht Teil des »Arbeitgeber«-Verbandes Tarifgemeinschaft deutscher Länder. Verdi-Verhandlungsführerin Christine Behle beklagte eine Einkommensdifferenz zu anderen Bundesländern oder kommunalen Dienststellen von mehr als zehn Prozent.

Das haben wir dem Exministerpräsidenten Roland Koch von der CDU zu verdanken. Jetzt ist es nicht einfach, es wieder zu ändern. In dieser Tarifrunde fordern wir es nicht. In Hessen gibt es etwa einige Regelungen, die besser sind als in anderen Ländern, etwa die Jobtickets für den öffentlichen Nahverkehr. Die studentischen Hilfskräfte fordern unter anderem 16,50 Euro Stundenlohn im ersten Jahr der Beschäftigung, ab dem zweiten 17,50 Euro, ab dem dritten 18,50 Euro; Mindestumfang 40 Stunden pro Monat, Mindestvertragslaufzeit 36 Monate.

Der hessische Innenminister Roman Poseck, CDU, würdigte die Leistungen der Beschäftigten, bezifferte aber die Gewerkschaftsforderungen auf mehr als zwei Milliarden Euro. Mit Blick auf die angespannte Finanzlage des Landes sei das nicht leistbar. Wie werten Sie das?

Einiges hat sich das Land selbst eingebrockt, etwa mit der Schuldenbremse ausgerechnet in diesen Zeiten. Beim Abschluss des letzten Tarifvertrags waren die hohe Inflation, die gestiegenen Energiekosten durch den Ukraine-Krieg und anderes nicht absehbar. Die Beschäftigten mussten Einnahmeverluste hinnehmen. Auszubildende können sich oft keine eigene Wohnung leisten, müssen bei ihren Eltern wohnen bleiben. Der Arbeitgeber sollte erkennen: Es herrscht Fachkräftemangel, und die Baby-Boomer-Generation geht in Rente. Sind die Bedingungen in Hessen schlecht, suchen sie Arbeit in Behörden benachbarter Bundesländer. Im Interesse des Landes sollte es sein, sie hier zu halten.

Aus Gewerkschaftskreisen war mitunter zu hören, endlich gebe es »eine allgemeine Forderung, 500 Euro auch für die Azubis«. Wie kommt es dazu?

Die Kommunikation der Tarifkommissionen der Gewerkschaften, die den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst des Landes Hessen, TV-H, verhandeln, war klar, und wir haben gemeinsame Forderungen mit allen beteiligten Gewerkschaften aufgestellt. Warum da wohl unterschiedliche Forderungen kommuniziert werden, erschließt sich mir nicht.

Wird die Gewerkschaft kämpfen?

Wie heftig die Auseinandersetzungen werden, hängt vom Angebot der Arbeitgeber ab. Die Auszubildenden sind motiviert, zu kämpfen. Es kann nicht sein, dass sie neben dem öffentlichen Dienst einen Zweitjob ausüben müssen, etwa samstags Regale im Supermarkt auffüllen.

Stefan Claus ist Landesjugendsekretär bei Verdi Hessen

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