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Aus: Ausgabe vom 16.02.2024, Seite 16 / Sport
Olympia

Macrons Flottille

Olympische Spiele in Paris: Die große Eröffnungszeremonie auf der Seine wird wohl verlegt
Von Hansgeorg Hermann
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Erwartbare Enttäuschung: Die geplante Olympiaeröffnungsfeier auf der Seine fällt wohl ins Wasser

Es wäre wohl in der Tat eine irre Schau geworden am 26. Juli 2024: An die 120 Boote, besetzt mit 10.500 Frauen und Männern aus mehr als 140 Nationen, schippern die Seine hinab. Mittendrin oder auf schwimmender Ehrentribüne der Präsident der Republik, Emmanuel Macron.

Frankreichs Staatschef und die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo, aus deren Ideenkästchen das geplante Spektakel stammen soll, wollten das Einmalige, das noch nie Dagewesene. Eine olympische Eröffnungszeremonie auf dem Wasser, sechs Kilometer die Seine hinab, zwischen zwei Brücken – dem Pont d’Austerlitz im Süden und dem Pont d’Iéna im Norden – an den Ufern des Flusses eine Million jubelnder Menschen, ein Traum. Sonniges Wetter vorausgesetzt. Auch die Sponsoren – Coca-Cola und Co., die üblichen Verdächtigen – seien begeistert gewesen, jubilierte das versammelte Olympische Komitee des Landes noch im Dezember.

Bis die Bedenkenträger auftraten. Macrons Traum sei in Wirklichkeit ein Alptraum, warnte die Polizei. Ihr oberster Chef, der rechtslastig-pragmatische Innenminister Gérald Darmanin, habe am letzten Tag des vergangenen Jahres wohl endgültig Schluss mit Macrons »Plan A« gemacht, fand in den Tagen danach die Pariser Wochenzeitung Le Canard enchainé heraus. Die erhoffte Million Zuschauer sei auf die Hälfte zu reduzieren, habe der Minister verlangt – eine Frage der Überwachung. Und überhaupt: Wer wollte die Sicherheit der Sportler und Funktionäre, der Politiker, der Prominenz am Ufer garantieren, wenn insgesamt rund 13 Kilometer Gelände kontrolliert werden müssten, dazu Hausdächer, Balkone und die Fenster einiger hundert mehrgeschossiger Gebäude? Laut »Plan A« 45.000 Polizisten im Einsatz, nicht eingerechnet Hubschrauberbesatzungen, Armee und technische Hilfskräfte. Immer noch zuwenig, offenbar.

Vor allem für die Delegationen aus den USA und Israels, die – das Sterben in Gaza vor Augen – ihre Teilnahme an der Bootsfahrt bereits gestrichen hätten. Der »Plan B«, vorgetragen von Macrons Chefplaner Alexis Kohler, sei dann bescheidener ausgefallen, hieß es in der vergangenen Woche im Präsidentenpalast Élysée und im Pariser Rathaus: Ein einziges Boot, bestückt nur noch mit den Fahnenträgern der teilnehmenden Nationen – nichts mit der quasi venezianische Pracht, eine erwartbare Enttäuschung für die Olympier auf den Quais, die dem Komitee für einen Sitz direkt am Wasser bereits 2.700 Euro anvertraut hatten. Für die ganze, nicht für die halbe Schau.

Derweil, was zu erwarten war, steigen die Kosten für die Spiele weiter, aus den zunächst veranschlagten vier Milliarden Euro sind 4,4 Milliarden geworden. Zahlungskräftige Werbekunden, in Paris »Partner« genannt, sind erwünscht. Die Musik bestellt und bereits bezahlt haben sogenannte »weltumfassende Partner« wie Coca-Cola, Allianz oder Bridgestone, besonders hofiert werden dagegen »Premium Partenaires« wie der Luxuskonzern LVMH des Macron-Spezis Arnaud Lagarde, deren extraintensiven Werbemaßnahmen die erwarteten 15 Millionen Zuschauer nicht entkommen werden. Die berühmten Bücherstände an der Seine, die »Bouquinistes«, dürfen übrigens bleiben. Das teilte der Élysée-Palast am Dienstag mit. Ursprünglich hatte die Pariser Polizei rund 600 der dunkelgrünen Kisten, die Teil des immateriellen französischen Kulturguts sind, für die Eröffnungsfeier abbauen wollen. Nun hatte der heftige Widerstand der Bücherverkäufer Erfolg.

Zu erwähnen sei noch der »Plan C«: Eröffnung der XXXIII. Spiele in einem ganz ordinären Fußballstadion. Zum Beispiel im Stade de France im Pariser Vorort Saint-Denis. Geht nicht, meldete schon im Januar der Canard. Rasen und Ränge seien ab 24. Juli an die Organisatoren des Sieben-Länder-Turniers der Rugby­spieler vermietet.

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