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Aus: Ausgabe vom 15.02.2024, Seite 15 / Betrieb & Gewerkschaft
Autobau im Saarland

Bonbons für Ford-Belegschaft

Ende des Werkes im Saarland rückt näher. IG Metall und Betriebsrat preisen Sozialpaket
Von Gudrun Giese
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Solidarität vom Karnevalsverein: Die »Faasend Rebellen« am 24.9.2022 bei den Fordwerken in Saarlouis

Das Aus für den Standort Saarlouis des Autobauers Ford ist besiegelt. Das bittere Ende soll den 3.750 Beschäftigten ein wenig versüßt werden. Am 7. Februar stellte der Betriebsratsvorsitzende Markus Thal bei einer Belegschaftsversammlung in Saarlouis Teile der 28seitigen Eckpunktevereinbarung vor, die er mit der Geschäftsleitung von Ford Deutschland ausgehandelt hatte, wie dpa mitteilte. Am selben Tag hatte zudem die IG Metall den mit Ford vereinbarten Sozialtarifvertrag präsentiert. Mit der Unterzeichnung des Papiers sei Klarheit und Sicherheit erreicht worden, befand Lars Desgranges, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Völklingen. »Besser als gute Sozialbedingungen wären weitere tarifliche Arbeitsplätze und ein Autobauer für Saarlouis gewesen.« Das gelang trotz allen Werbens um Investoren jedoch nicht. Der »teuerste Sozialtarifvertrag aller Zeiten im Saarland« sei so »nur die zweitbeste Lösung für den Standort und die Beschäftigten«, erklärte Desgranges.

Vereinbart wurde unter anderem eine halbjährige Verlängerung für den Bau des Ford Focus in Saarlouis – nun bis Ende November 2025. Rund 1.000 Arbeitsplätze sollen am Standort über 2025 hinaus erhalten bleiben, meldete am 7. Februar tagesschau.de. Für diese Arbeitsplätze sind betriebsbedingte Kündigungen bis 2032 ausgeschlossen. Die große Mehrheit der Belegschaft bei Ford Saarlouis muss jedoch vorher gehen, wobei Abfindungen, die nach Alter und Betriebszugehörigkeit gestaffelt sind, den Ausstieg etwas puffern sollen. Wer bereits in diesem März oder April aufhört, bekommt eine Extraprämie. Außerdem wird eine Transfergesellschaft eingerichtet, und es soll Qualifizierungsangebote geben. Ältere Beschäftigte könnten auch »gut ausgestattete Altersteilzeitmodelle« wählen, teilte Jörg Köhler, Bezirksleiter der IG Metall Mitte, mit. »Ohne die Entschlossenheit und Kampfbereitschaft der Belegschaft wäre das Ergebnispaket nicht möglich gewesen«, so Köhler. »Es ist ein Erfolg der Solidarität der Mitglieder der IG Metall.« Diese, die am Standort Saarlouis sagenhafte 98 Prozent der Belegschaft ausmachen sollen, werden am 22. Februar in geheimer Abstimmung entscheiden, ob die Vereinbarungen mit Ford angenommen werden. Sollten sie mehrheitlich für Annahme votieren, würde der Sozialtarifvertrag am 29. Februar in Kraft treten. Im Falle der Ablehnung wäre ein unbefristeter Streik sehr wahrscheinlich.

Auch der Betriebsrat plädiert dafür, die Vereinbarung zu akzeptieren. »In keinem Betrieb in Deutschland gibt es ein vergleichbares Gesamtpaket«, sagte der Vorsitzende des Gremiums, Markus Thal, laut dpa. Nachdem die Suche nach einem Investor gescheitert sei, stelle der Sozialtarifvertrag die zweitbeste Lösung dar. Im Oktober vergangenen Jahres hatte der zunächst interessierte, namentlich nie genannte Großinvestor einen Rückzieher gemacht. Dabei hätte die saarländische Landesregierung bei einem Einstieg öffentliche Hilfen im Umfang eines mittleren dreistelligen Millionenbetrages locker gemacht. Wäre das Geschäft zustande gekommen, hätte das mindestens 2.500 Arbeitsplätze sichern sollen. Nach dem Aus der Investorenlösung seien nun, so Thal, »in einem intensiven Prozess alle Punkte auf ein Maximum ausverhandelt« worden. Im Klartext: Mehr war nicht drin.

Beendet ist der komplexe Abwicklungsprozess rund um das Ford-Werk in Saarlouis für die IG Metall damit aber noch nicht. Nun stünden »zahlreiche weitere Termine mit den Zulieferbetrieben auf der Tagesordnung«, erklärte Ralf Cavelius, der Zweite Bevollmächtigte der IG Metall Völklingen. Dabei gelte, dass diese Betriebe entweder externe Aufträge auch außerhalb von Ford fänden oder die IG Metall »bei der Durchsetzung von Sozialtarifverträgen nachlegen« werde, falls nötig. »Nahezu alle Zulieferfirmen sind hoch organisiert und kampfbereit und ohne die Zulieferer wird kein Focus gebaut«, so Cavelius. Doch dieser Autotyp ist in Saarlouis ohnehin ein Auslaufmodell.

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