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Aus: Ausgabe vom 15.02.2024, Seite 10 / Feuilleton
Straßenverkehr

Panzer vor dem Schultor: SUV

Von Marc Hieronimus
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Darf’s auch etwas mehr sein? Cadillac Escalade IV

Eine Karikatur in der Zeitschrift La Décroissance vom Hauszeichner Léandre. Die Frau schaut entsetzt aus dem Fenster: »O Gott, da steht ein Panzer auf der Straße, die Russen sind da!« Ihr Mann: »Aber nein, Schatz, das ist Stéphane, der die Kleine zur Schule bringt.« Ein Witz, den der zu früh verstorbene Martin Perscheid vorweggenommen hat. Über der Bildunterschrift »Wenn Geländewagen aus der Mode kommen« sieht man vier Panzer vor dem Schultor stehen. Aus einer Luke ruft die Mutter dem Filius »Levin, dein Pausenbrot« hinterher. Der ungebrochene SUV-Boom hat aber höchstens am Rande mit der Militarisierung der Gesellschaft zu tun. Er hat lange vorher begonnen und andere Ursachen.

Was heißt überhaupt SUV? »Schön und verkehrssicher«? Sicherheit ist jedenfalls eines der Argumente fürsorglicher Eltern, warum sie im Panzer zur Schule fahren. Natürlich ist es auch Faulheit. Die Kölner Alternativkarnevalskombo Köbes Underground hat eine treffende Nummer im Programm, in der sie Sades »Smooth Operator« umdichtet in »Zu Fuß keinen Meter«. Undenkbar, dass Kinder früher kilometerweit alleine und auf Schusters Rappen in die Penne gingen. Schön? Autos haben in den 1980er Jahren aufgehört, schön oder auch nur voneinander unterscheidbar zu sein, seither sehen sie aus wie Rasierapparate, wie Marv (Mickey ­Rourke) in »Sin City« zu Recht bemerkt.

Trotz ihrer Hässlichkeit eignen sich SUVs aber wie alles Teure zur Distinktion gegenüber denen, die sie sich nicht leisten können. »Seht unser Vermögen«, »Stolz und Verachtung«? Ein Irrsinn, dass die Halter dieser Dinger, wenn sie mit Strom betrieben werden, für das Unwirtlichmachen unserer Städte auch noch mit Steuergeldern belohnt werden: »Schenkt uns Vergünstigungen!« Der Fahrer eines solchen Vehikels möchte sich auch wild und frei fühlen. Große SUVs heißen Tuareg, Cherokee, Comanche oder Defender und haben einen Büffelfänger vor der Haube. Also »stark und verwegen«? Nein. Die nichtmotorisierte Mehrheit kennt die geheime Botschaft: »Stoppen und verschrotten«.

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