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Aus: Ausgabe vom 15.02.2024, Seite 8 / Ansichten

Verlustreiche Zeiten

Einbruch des deutschen China-Geschäfts
Von Jörg Kronauer
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Der sanktionsbedingte Anstieg des Erdgaspreises ist die Hauptursache dafür, dass die Chemieindustrie ihre Produktion um fast ein Viertel senken musste

Das Decoupling wirft seine Schatten voraus. Die Außenhandelszahlen für 2023, die das Statistische Bundesamt am Mittwoch veröffentlichte, lassen erstmals klarer erkennen, was mit dem Wirtschaftskrieg der USA und zunehmend auch der EU gegen China auf Deutschland zukommt. Seit geraumer Zeit ist bekannt, dass deutsche Unternehmen, die in der Volksrepublik Produktionsstätten betreiben – etwa Kfz-Konzerne, Zulieferer, Chemiebetriebe –, sich darauf einstellen, dass früher oder später der große Sanktionshammer kommt.

Da sie davon ausgehen, dass sie die Vorprodukte für ihre Fabriken in China dann nicht mehr in der Bundesrepublik beschaffen können, gehen die betreffenden Unternehmen systematisch dazu über, sie eben vor Ort, in der Volksrepublik also, einzukaufen. Das fördert die chinesische Industrie; es lässt allerdings auch den deutschen Export schrumpfen. Das erklärt wohl nicht den gesamten Rückgang der deutschen Ausfuhr nach China um 8,8 Prozent, aber einen erheblichen Teil davon. Dabei ist die Entwicklung noch lange nicht an ihrem Ende angelangt.

Sind das schlechte Nachrichten für die traditionelle Exportmacht Bundesrepublik, so scheint die Rettung, blickt man auf die aktuellen Außenhandelszahlen, aus dem Westen zu kommen: Die Ausfuhren in die Vereinigten Staaten nahmen wenigstens leicht zu und verhinderten damit, dass der deutsche Gesamtexport noch schlimmer einbrach. Hauptursache des Anstiegs ist der Boom, den die Hunderte Milliarden US-Dollar schweren Investitionsprogramme der Biden-Regierung mit sich bringen.

Allerdings ist unklar, wie weit er für deutsche Exporteure wirklich trägt. Viele Fördergelder aus den Milliardenprogrammen sind daran gebunden, dass die bezuschussten Produkte großenteils in den USA gefertigt werden. Das veranlasst auch deutsche Unternehmen, Fabriken jenseits des Atlantiks zu errichten und künftig dort zu produzieren. Was dort hergestellt wird, wird ebenfalls nicht mehr aus Deutschland exportiert. Dabei ist der Faktor Trump noch gar nicht eingepreist. Der MAGA-man will zum Beispiel pauschale Strafzölle in Höhe von zehn Prozent auf sämtliche Importe verhängen. Für deutsche Exporteure wäre das fatal.

Düstere Aussichten für das China-Geschäft, ungewisse transatlantische Perspektiven: In den eskalierenden globalen Machtkämpfen kommen schwierige, womöglich verlustreiche Zeiten auf die lange Zeit erfolgsgewohnte deutsche Industrie zu. Dabei hat schon der Machtkampf gegen Russland zu Einbrüchen geführt: Der sanktionsbedingte Anstieg des Erdgaspreises ist die Hauptursache dafür, dass die wichtige Chemieindustrie ihre Produktion seit Beginn des Ukraine-Krieges um fast ein Viertel senken musste. Derlei Produktionsrückgänge in der Bundesrepublik sind, nebenbei, einer der Gründe dafür, dass die Einfuhren aus China 2023 stark kollabierten. Das globale Hauen und Stechen treibt die Wirtschaft der Bundesrepublik unerbittlich in den Rückwärtsgang.

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