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Aus: Ausgabe vom 15.02.2024, Seite 6 / Ausland
Agrarpolitik

Bauern blockieren Antwerpener Hafen

Verhandlungen mit belgischer Regierung bislang ohne Ergebnis. Umweltaktivisten außen vor
Von Gerrit Hoekman
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Hier geht nichts mehr: Traktoren blockieren am Dienstag die Einfahrt zum Hafen in Antwerpen

Die flämische Industrie- und Handelskammer Voka schätzt den finanziellen Verlust für die Wirtschaft auf mehrere Dutzend Millionen Euro: Am Dienstag ging der Protest der flämischen Landwirte in Belgien mit Blockaden weiter. Am Morgen versperrten sie mit etwa 500 Traktoren die Zufahrten zum Seehafen in Antwerpen. Nur Fahrzeuge mit gefährlichen Gütern an Bord und Rettungsdienste durften passieren, der Rest wurde nur tropfenweise durchgelassen. Die Aktion war offenbar nicht mit den Bauernverbänden abgesprochen. »Wir wollen vor allem schwere Massengütertransporte blockieren«, erklärte Organisator Stijn Zelderloo gegenüber dem flämischen Sender VRT NWS. »Wir haben nicht die Absicht, jeden arbeitenden Menschen einen ganzen Tag als Geisel zu nehmen.«

Lange Autoschlangen gab es dennoch vor den »Checkpoints« der Landwirte, und von seiten des Verbandes der Arbeitgeber des Hafens von Antwerpen hieß es: »Die Landwirte sind ständig in Bewegung und errichten spontane Blockaden an strategischen Punkten im Hafen. Wichtige Brücken und Schleusen sind blockiert. Es gibt absolut keinen reibungslosen Waren- und Personendurchgang«, so Stephan Vanfraechem, Sprecher von Alfaport, gegenüber VRT NWS. Weiter sprach er von »maximalen Auswirkungen auf die Unternehmen«. Wegen des Chaos seien die Leute im Schnitt zwei Stunden zu spät zur Arbeit erschienen. Am meisten traf es die Speditionen. Bei Van Moer Logistics erreichten lediglich 20 Prozent der Belegschaft ihren Arbeitsplatz. »Nur die Leute aus der Frühschicht arbeiten«, teilte die Firmensprecherin am Montag bei VRT NWS mit. Mitarbeitende, die nicht unbedingt vor Ort sein müssen, blieben im Homeoffice.

Nach 14 Tagen imposanter Straßenblockaden wird es also höchste Zeit, dass sich die Regierung in Flandern und die Vertreter der Landwirte einigen. Am Wochenende verhandelten sie zum dritten Mal stundenlang ohne endgültiges Ergebnis. »Es war ein konstruktives Gespräch«, sagte Ministerpräsident Jan Jambon von den Nationalisten der Nieuw-Vlaamse Alliantie (N-VA) gegenüber den Medien. Er hofft auf die nächste Verhandlungsrunde an diesem Donnerstag nachmittag.

»Wir sehen noch nicht genügend konkrete Zusagen«, dämpfte hingegen der Vorsitzende des Bauernbunds, Lode Ceyssens, beim Kurznachrichtendienst X allzu hohe Erwartungen. Als die Bauern auch am Dienstag abend noch keine Anstalten machten, ihre Blockade am Hafen aufzuheben, traf sich die flämische Umweltministerin Zuhal Demir (N-VA) um 18 Uhr mit einer Delegation junger Landwirte. Gegen 21 Uhr meldete die Onlineausgabe der Tageszeitung De Morgen, die Blockade des Hafens werde aufgehoben.

Die Forderungen aus dem Agrarsektor sind klar: weniger Verwaltung und Regulierung, eine praktikable Düngemittelpolitik, mehr Schutz der Agrarflächen, bessere Preisgestaltung durch Supermärkte und eine Überarbeitung der Stickstoffverordnung. Einige Forderungen kann nur die Europäische Union erfüllen. Sie legt zum Beispiel den Grenzwert für den Ausstoß von Stickstoff pro Hof fest. Für die Bauern hat der Grenzwert direkten Einfluss darauf, wieviel Dünger sie verwenden dürfen. Die Landwirte verlangen eine völlige Neuordnung der Stickstoffpolitik. Dieser Punkt ist der wichtigste in ihrem Forderungskatalog. Dann die überbordende Bürokratie: Manche Landwirte schimpfen, sie säßen fast länger im heimischen Büro, um Schreibkram zu erledigen, als auf ihrem Traktor bei der Arbeit auf dem Acker. Die Bauern sind sich einig und wild entschlossen, ihre Forderungen durchzusetzen – das haben sie eindrucksvoll unterstrichen. In Brüssel zogen sie Anfang Februar bis vor den Sitz der EU.

Umweltschutzorganisationen kritisierten, dass sie nicht an den Verhandlungen zwischen Bauern und Regierung teilnehmen dürfen. »Wir finden es inakzeptabel, dass über uns gesprochen wird, aber nicht mit uns«, schrieben die Umweltgruppen Bond Beter Leefmilieu (BBL) und Natuurpunt am Montag in einer gemeinsamen Erklärung.

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