4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 15.02.2024, Seite 6 / Ausland
Spanien

Ende einer Politkarriere

Lobbyismus, Marokko und Westsahara: Spanischer Exminister Garzón erzürnt seine Partei und die Linke
Von Carmela Negrete
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Alberto Garzón auf einer Pressekonferenz in Madrid (24.10.2016)

In letzter Minute ist er zurückgerudert. Am Mittwoch gab Alberto Garzón, bis November letzten Jahres Generalsekretär der Vereinigten Linken (Izquierda Unida, IU), bekannt, dass er nicht bei der Beratungsfirma »Acento« anheuern werde. Nicht nur in den Reihen seiner Partei war die Empörung groß, seit am Dienstag bekannt wurde, dass er für dieses Unternehmen arbeiten wollte. Damit hätte er seine eigenen Überzeugungen verraten, da er den Wechsel von Politikern in solche Positionen jahrelang kritisiert hatte.

Garzón erklärte seine Entscheidung jedoch nicht mit Einsicht in einen Fehler, sondern, dass er sich unter Druck gefühlt habe und der IU nicht schaden wolle. Der Imageschaden ist jedoch bereits entstanden: »Die Entscheidung löste einen enormen Wirbel im linken Ökosystem aus, einschließlich der Formationen und politischen Räume, für die ich in den letzten zwölf Jahren all meine Energie aufgewendet habe, nämlich Izquierda Unida, Unidas Podemos und Sumar«. Er kritisierte aber zugleich die Strenge seiner Genossen: »Politik ist ein Menschenzerstörer«, schrieb er in seiner auf X veröffentlichten Erklärung. »Die Linke, an die ich glaube, ist weniger voreingenommen und inquisitorisch.« Zudem sei das Unternehmen geschädigt worden. Dabei haben sich der»CEO und sein Team« gegenüber Garzón »großartig verhalten«.

Der 39jährige Politiker war bisher einer der klügsten Köpfe der spanischen Linken. Der Ökonom aus einem Vorort von Málaga engagierte sich zunächst in den Protestbewegungen während der Wirtschaftskrise und wurde ab 2011 als Abgeordneter der IU gewählt. Fünf Jahre später folgte die Ernennung zum Generalsekretär. 2020 machte ihn Premier Pedro Sánchez zum Minister für Verbraucherschutz. Nachdem sich die IU im vergangenen Sommer dem neuen Bündnis Sumar angeschlossen hatte, stellte Garzón sich nicht mehr zur Wahl – die Gründe blieben unklar. Der Streit innerhalb der spanischen Linken ist groß, allerdings hatte niemand damit gerechnet, dass Garzón bei solch einem Lobbyverein arbeiten würde. Die Beratungsfirma wurde vom früheren PSOE-Minister José Blanco gegründet, weitere Sozialdemokraten und Politiker der konservativen Volkspartei PP sind dort angestellt.

Besonders peinlich erscheint der Fakt, dass Garzón als Minister Glücksspiele regulieren wollte, um insbesondere für Jugendliche Gefahren zu minimieren. »Acento« wiederum war auch für den spanischen Verband der Unternehmer von Spiel- und Freizeitstätten tätig. Zudem hat die Firma in der Vergangenheit eine marokkanische Kooperationsagentur beraten. Wie die Tageszeitung El Independiente berichtete, war »Acento« bereits für Marokko tätig, als der PSOE 2022 entschied, im Rahmen des sogenannten Katargate zugunsten Rabats und gegen eine Resolution im EU-Parlament zu stimmen. In diesem Licht wird auch die Entscheidung von Sánchez im vergangenen Jahr klarer, als er sich auf die Seite Marokkos in der Westsahara-Frage gestellt hatte: »Marokko ist ein befreundetes Land, das für die wirtschaftliche Entwicklung Spaniens von grundlegender Bedeutung ist, unser Tor nach Afrika«.

Schließlich wollte Sánchez, dass Spanien die ehemalige Kolonie Westsahara als eine Provinz Marokkos anerkenne, was gegen die internationalen Resolutionen der UNO verstößt, aber auch gegen die eigene Position des PSOE. Alle Parteien, auch innerhalb der Regierungskoalition, kritisierten damals das Vorgehen von Sánchez. Zuletzt hieß es aus Madrid zu dieser Frage: »Die Position Spaniens zum Westsahara-Konflikt stimmt vollständig mit dem Völkerrecht überein.« »Spanien befürwortet eine politische Lösung, die von beiden Seiten akzeptiert wird, im Rahmen der Charta der Vereinten Nationen und der Resolutionen des Sicherheitsrats«, so die Regierung. Und auch: »Spanien unterstützt die Bemühungen des Sondergesandten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Staffan de Mistura. Seine Arbeit ist entscheidend und genießt die uneingeschränkte Unterstützung der spanischen Regierung.« Mit diesen schwammigen Phrasen versucht Sánchez erneut seine Positionen zu rechtfertigen – für die Linke in Spanien ein Verrat an den Sahrauis.

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