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Aus: Ausgabe vom 15.02.2024, Seite 4 / Inland
Staat und AfD

Nicht ohne Nebenwirkungen

Debatte über AfD-Verbot: Politiker und Juristen eher skeptisch mit Blick auf Erfolgsaussichten und politische Folgen
Von Kristian Stemmler
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Demonstranten in Gotha (10.2.2024)

Die hohen Umfragewerte der AfD sind nach der bundesweiten Welle von Demonstrationen gegen rechts etwas zurückgegangen. Die parallel zu den Demonstrationen begonnene Debatte über ein Verbot der Partei geht aber weiter. In den Überlegungen von Politikern und Juristen überwiegt dabei nach wie vor die Skepsis, ob ein entsprechendes Verfahren überhaupt Erfolgsaussichten hätte. Es wird auch die Frage gestellt, ob ein Versuch, sie zu verbieten, die AfD nicht eher stärkt als schwächt. Am Mittwoch warnte Günter Krings, rechtspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, ein Verbotsverfahren zum jetzigen Zeitpunkt könne der AfD »zumindest kurzfristig« mehr nutzen als schaden. »Wir müssen die AfD, einschließlich ihrer Untergliederungen, vor allem politisch bekämpfen«, sagte er gegenüber dpa.

Ein voreilig gestellter Antrag auf ein Verbot könne der Partei in den 2024 anstehenden Wahlkämpfen – im September sind Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg, wo die AfD in Umfragen jeweils deutlich vorne liegt – eher einen Vorteil verschaffen, vermutete Krings. Für bestimmte Wähler werde sie mit einem drohenden Verbot womöglich noch attraktiver.

Anders sieht es für Krings bei der AfD-Nachwuchsorganisation »Junge Alternative« (JA) aus. Hier sei es gerechtfertigt, ein Verbot dieses Vereins zumindest sorgfältig zu prüfen, so Krings. Mit Blick auf den Jugendverband ist allerdings strittig, ob er überhaupt als eigenständige Gruppierung anzusehen ist oder nicht. Entscheidend für ein erfolgreiches Verbot der AfD seien die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes, betonte der CDU-Politiker. Über diese Informationen verfüge allerdings nur die Bundesregierung, nicht die Opposition. Daher sei die Regierung am Zug, eine Einschätzung zu einem Verbotsverfahren abzugeben.

Auch der Obmann von Bündnis 90/Die Grünen im Innenausschuss des Bundestages, Marcel Emmerich, ist skeptisch, ob ein Verbot der Parteijugend der AfD möglich ist. Dass diese »eindeutig verfassungsfeindliche Ziele« vertrete, sei für ihn zwar klar, sagte Emmerich der dpa. Dennoch habe er Bedenken, was ein Verbot der JA durch die Bundesinnenministerin angeht. Es stelle sich ganz grundsätzlich die Frage, »ob die AfD-Jugendorganisation eine eigenständige Organisation ist oder ob sie eher als Teil der Partei betrachtet werden muss«. Ein Verbotsverfahren gegen die AfD schließt der Grünen-Politiker dagegen nicht aus. Die Partei verfolge das Ziel, »unseren demokratischen Rechtsstaat und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu zerstören«. Da müsse eine »wehrhafte Demokratie« alle rechtsstaatlichen Maßnahmen sorgfältig prüfen.

Über ein Verbot der Partei müsste das Bundesverfassungsgericht entscheiden, nachdem ein entsprechender Antrag durch den Bundestag oder Bundesregierung und Bundesrat gestellt worden ist. Einen überregional aktiven Verein wie die JA könnte – wenn er rechtssicher als eigenständige Gruppierung eingestuft werden kann – dagegen die Bundesinnenministerin verbieten. Ende Januar hat der Bundesrat eine Petition mit dem Titel »AfD-Verbot prüfen!« entgegengenommen, die seit Mitte August rund 800.000 Menschen unterzeichnet hatten. Diese Forderung war in den vergangenen Wochen auch bei zahlreichen Kundgebungen erhoben worden.

Der frühere Verfassungsrichter Udo Di Fabio hatte die Erfolgschancen eines Antrags auf ein Verbot der AfD allerdings bereits im Januar als »momentan gering« eingestuft – jedenfalls dann, wenn man nur auf das Programm der Partei und die öffentlichen Äußerungen ihres Führungspersonals schaue. Bei einer Aufzeichnung eines Podcasts der FAZ sagte er: »Das, was ich von außen sehen kann, ohne nachrichtendienstliche Quellen, da bin ich eigentlich ziemlich sicher, dass das nicht ausreicht.« Er wolle daher davor warnen, einen solchen Antrag, über den vermutlich erst in einem oder in zwei Jahren entschieden würde, jetzt zu stellen, so Di Fabio. Für den Fall, dass die »Radikalisierung der AfD« weitergehe wie bisher, solle man »das Pulver trocken halten für eine künftige Entwicklung«.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Marcus B. (15. Februar 2024 um 16:54 Uhr)
    Man sollte in der Tat nicht mit Schnellschüssen der AfD noch mehr Wähler verschaffen. Das ist auch bei Trump in den USA zu beobachten, welcher sich schön als politisch Verfolgter stilisieren kann. Ohne auch nur an einer einzigen Vorwahlkampfdebatte teilgenommen zu haben, wird er der republikanische Kandidat sein, obwohl »seine« Partei ihn auch nicht leiden kann. Es hinkt zwar nichts so sehr wie ein Vergleich, nur denke ich, dass da Parallelen unübersehbar sind. Je mehr die etablierten Parteien Stimmung gegen die AfD machen, desto mehr Zuspruch erhält diese offenbar, nicht zuletzt, weil man eigenes Versagen in Abrede stellt und mit dickem Kopf durch jede Wand stoßen will – jede aktuelle Regierungspartei und die der jüngeren Vergangenheit haben gezeigt, dass Wahlen nichts ändern; man fantasiert sich den »Wählerwillen« zurecht. Viele sehen wahrscheinlich nur das »A« für eine Alternative zur uneinsichtigen Politkaste dieser »Volks«-Parteien – »alles Nazis« ist zu kurz gegriffen. War in den USA mit Trumps erster Wahl auch so: Hauptsache nicht das Establishment; im Zweifel soll die Hütte lieber abfackeln, anstatt dass das Murmeltier in alle Ewigkeit täglich grüßt.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Roland W. aus 08280 Aue (15. Februar 2024 um 13:37 Uhr)
    Das dummdemokratische Gewäsch um ein Verbot der AfD oder nicht, ist nur von Geschädigten dieser Demokratie noch ernst zu nehmen. Mehr als eine NPD vor Jahren ist die AfD längst zu einem festen Bestandteil dieser freiheitlich-demokratischen Ordnung gemacht worden. Zurecht stellt Wagenknecht zu Aschermittwoch die Frage bezogen auf die Regierenden, die sich selbst angesichts der Millionen Demonstranten gegen rechts verlogen, heuchlerisch feiern, wer denn die AfD und Co. erst regierungsfähig gemacht habe. Verbot oder nicht, kann bestenfalls eine Frage des Machtkampfes sein. Verbot aber eher unwahrscheinlich. Das rechte Gedankengut, die weit verbreitete, täglich spürbare rechte Hassstimmung ändert sich damit nicht. Sie ist da und wird schließlich auch täglich von den demokratischen Parteien reichlich bedient. Sieht und hört das keiner? Was soll ein Verfassungsschutz beitragen können, der sich oft genug erwiesen durchsetzt hat? Machtstreben und Machtfragen werden entscheiden. Bevorstehende Wahlen stellen Parteien vor diese Frage und überhaupt nicht nach rechter oder Politik der Mitte und allen diesen Täuschungen. Vielleicht wird eine AfD gar nicht mehr gebraucht, wenn regierende Politik die bessere Rechtspolitik macht. Macht sie das nicht längst und Kriegspolitik noch dazu?