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Aus: Ausgabe vom 14.02.2024, Seite 16 / Sport

Brasilianische Seele

Von André Dahlmeyer
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Brasiliens Alexsander (18) sieht gegen Claudio Echeverri aus Argentinien keine Sonne

Einen wunderschönen guten Morgen! Wann hat eigentlich der Niedergang des brasilianischen Fußballs, genauer der Seleção begonnen? Zugegeben, seit dem Asien-Mundial 2002 haben sie nicht mehr viel gerissen. Aber seit dem 1:7 gegen die deutsche Bundesrepublik im WM-Halbfinale vor eigenem Publikum sieht es in Brasilien düster aus. Ein Ergebnis, das ich fast korrekt vorhergesagt hatte. Das kam so: Ich stand in der Schlange, ich glaube bei der Wasserkooperative, und traf dort auf Mario, Talentscout für bei Vélez Sarsfield in Buenos Aires. Er war Sportlehrer und der einzige Fußballtrainer in unserem Dorfstädtchen und hatte mir mal stolz ein Foto von sich und Carlos Salvador Bilardo präsentiert. Der hat unserem Dorf wohl irgendwann nach dem WM-Gewinn 1986 einen Besuch abgestattet und wurde damals von Mario untergebracht. Als der mich also in der Schlange nach einem Tipp für das Spiel fragte, sagte ich: »5:0 für Deutschland!« Er bekam tellergroße Augen. Vielleicht dachte er, mein Teutonenblut ginge mit mir durch. Dabei hielt ich gar nicht zu Deutschland. Das tue ich seit der Schande von Gijón nicht mehr. Ich glaubte, die »brasilianische Seele« mittlerweile so gut zu »kennen«, dass ich es für unmöglich hielt, die Brasucas die schwere Verletzung von Neymar Jr. wegstecken könnten. Das letzte Mal, dass ich Mario begegnete, war mit Maske. Dann stieß ich in der Provinzhauptstadt Posadas zufällig auf einen Zeitungsartikel. Mario war gestorben. Er war ein bescheidener Mensch, der sich aufopferungsvoll dafür einsetzte, jungen Talenten eine Zukunftsperspektive zu verschaffen, sie aus der strukturellen Armut der Provinz Misiones, Zweistromland zwischen Paraguay und Brasilien, herauszuholen. Einige schafften es bis in die Primera División Argentiniens. Zuletzt hatte er begonnen, aktiv den Mädchenfußball im Ort zu fördern.

Zurück zur Dunkelheit Brasiliens. Die letzte Copa América wurde im eigenen Land gegen das Argentinien von Ángel Di María im legendären Maracanã verloren. Es war alles wie immer, wurde schlimmer. Denn in der aktuellen WM-Qualifikation für das Mundial 2026 verlor Brasilien erstmals in einem WM-Qualimatch ein Heimspiel! Nicht gegen irgendwen, sondern gegen das Argentinien von Nicolás Otamendi. Zuvor hatte Brasilien bereits erstmals seit über 20 Jahren auswärts in Montevideo gegen das Uruguay von Marcelo Bielsa eine historische Niederlage kassiert.

Beim Preolímpico Sub-23 in Venezuela, die Qualifikation für Olympia 2024 in Paris, schleppte Brasilien sich mit seinen Superstars Endrick Felipe (Real Madrid) und John Kennedy (Fluminense) zwar noch in das entscheidende Match in Caracas gegen Argentinien um ein Olympiaticket, verlor jedoch mit 0:1. Ein 0:0 hätte sogar gereicht. Das Argentinien des zweimaligen Olympiasiegers Javier Mascherano qualifizierte sich also für die Spiele, indem es den amtierenden Doppelolympiagewinner und ewigen Erzrivalen Brasilien eliminierte. Den einzigen Treffer markierte Luciano Gondou (78. Minute) von den Argentinos Juniors nach einer Flanke von Valentín Barco, gerade von Boca Juniors zu Brighton in die Premier League gewechselt. Zuvor hatte Boca-Schlussmann Leandro Brey, zuletzt stark in der Kritik, zwei Tausendprozentige abgewehrt. Entscheidend war, dass Argentinien hinten wieder solide stand. Nach dem Tor stellte »Masche« sogar noch auf Fünferkette um. Kurios: Argentinien hatte in der Folge noch drei Großchancen! Anschließend besiegte Paraguay die Auswahl Venezuelas mit 2:0, sicherte sich den Titel und das Starterkit für Paris.

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