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Aus: Ausgabe vom 14.02.2024, Seite 12 / Thema
Südostasien

Der lange Schatten der Diktatur

Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Indonesien: Der alte Staatschef darf nicht wieder antreten. Sein Nachfolger könnte sich weiter rechts positionieren. Eine Aufarbeitung der Vergangenheit steht nicht an
Von Thomas Berger, Jakarta
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Mit Verbindungen zur Suharto-Diktatur. Der nach Umfragen vorne liegende Präsidentschaftskandidat und Verteidigungsminister Prabowo Subianto (auf den großen Leinwänden) bei einer Wahlkampfkundgebung in Jakarta, 10. Februar 2024

Manche Hauptstraßen in der Zwölfmillionenmetropole Jakarta wirken dieser Tage wie überschwemmt vom Material des Wahlkampfs. Einige Parteien haben mit ihren Fahnen und Plakaten ganze Abschnitte für sich reklamiert, während es an anderen Stellen so wild durcheinander geht, dass keiner mehr Übersicht hat, wer da alles für sich wirbt. Riesige Banner hängen an einigen Innenstadtkreuzungen, und auch im Norden, dem einstigen Batavia aus niederländischer Kolonialzeit (heute Jakarta Kota) mit dem angrenzenden Hafengebiet, reiht sich ein Plakat an das andere.

Außenpolitisch unabhängig

Indonesien wählt an diesem 14. Februar nicht nur einen neuen Präsidenten, sondern stimmt auch über die Zusammensetzung des nationalen wie der regionalen Parlamente in allen 38 Provinzen ab. Die Wahlen erfolgen 25 Jahre nachdem die Bevölkerung erstmals nach dem Sturz des Diktators Mohammed Suharto, der das Land drei Jahrzehnte im Würgegriff gehalten und dessen Herrschaft Millionen Tote gefordert hatte, wieder zu einer freien Abstimmung aufgerufen worden war. Aufgrund seiner herausragenden Stellung im politischen System Indonesiens liegt der Fokus der Kampagnen auf der Wahl des Staatschefs. Der amtierende Präsident Joko Widodo, genannt Jokowi, darf nach zwei Amtszeiten nicht wieder antreten. Ein grundlegender Politikwechsel steht nach bisherigen Einschätzungen allerdings nicht zu erwarten. Jokowi hat in seiner Amtszeit die Politik des mit 278 Millionen Einwohnern viertgrößten Landes der Erde dem Primat der wirtschaftlichen Entwicklung unterworfen. Daran scheinen die drei Kandidaten nichts ändern zu wollen.

Die weltweit größte muslimische Nation – weit mehr als 80 Prozent der Bevölkerung bekennen sich zum Islam – hat in der Region einiges Gewicht: Indonesien ist mit Abstand die größte Volkswirtschaft Südostasiens. In der indonesischen Großstadt Bandung fand 1955 das Gründungstreffen der Bewegung der blockfreien Staaten statt. Aus den damals 29 Mitgliedern sind heute 130 geworden, und gerade in Zeiten, da nicht nur zwischen dem politischen Westen und Russland rund um den Ukraine-Krieg die Konfrontation eskaliert, sondern auch zwischen den USA samt Verbündeten und China ein neuer, sich gefährlich zuspitzender globaler Machtkampf entbrannt ist, gewinnen Stimmen wie aus Jakarta an Bedeutung. Dort hat man sich bisher einer Zuordnung zu einem der beiden entstehenden Lager verweigert. Was immer sonst dem scheidenden Präsidenten Widodo nachgesagt werden mag, mit seiner unabhängigen Außenpolitik ist Indonesien unter seiner Führung den Prinzipien von 1955 treu geblieben.

Innenpolitisch präsentiert sich das Land hingegen in vielerlei Hinsicht zerrissener als bei seinem Amtsantritt 2014. Auch wenn die Wirtschaft in den vergangenen zehn Jahren seiner Amtszeit beständig gewachsen ist und das Land insbesondere in den großen Städten modernisiert werden konnte, ist die Armut noch immer weit verbreitet. Hinzu kommen eine wachsende gesellschaftliche Intoleranz, unter der besonders Minderheiten und marginalisierte Gruppen zu leiden haben, eine grassierende Korruption, ungelöste separatistische Konflikte, die gewaltsam und unter Missachtung der Menschenrechte ausgetragen werden, außerdem ein spürbares Erstarken radikalislamischer Kräfte, die mehr und mehr den gesellschaftlichen Diskurs bestimmen.

Familiäre Bande

Der Umstand, dass der noch immer äußerst populäre Jokowi nicht erneut antreten darf, hat zum faktischen Zerfall der hinter der aktuellen Regierung stehenden Koalition geführt und neue Bündnisse hervorgebracht. Beigetragen hat zu der »Neusortierung« auch, dass laut den amtlichen Wahlregularien nur Parteien einen Präsidentschaftskandidaten aufstellen können, die es bei der vorherigen Wahl auf mindestens 20 Prozent der Stimmen gebracht haben. Neue Allianzen entstehen demnach aus rein zweckrationalen Erwägungen und nicht als Ergebnis größtmöglicher politischer Nähe. Eine Rolle spielen überdies rein persönliche Machtinteressen. So gehört der scheidende Präsident zwar der Demokratischen Partei des Kampfes (PDI-P) an, die zum Ende der Suharto-Diktatur gegründet worden war und über weite Strecken der vergangenen zweieinhalb Jahrzehnte eine Schlüsselrolle gespielt hat. Parteichefin Megawati Sukarnoputri, Tochter des Unabhängigkeitshelden und ersten indonesischen Präsidenten Ahmed Sukarno (1901–1970), war von 2001 bis 2004 die erste Frau an der Staatsspitze. Auch aktuell genießt die PDI-P landesweit starken Rückhalt. Allerdings hat sich Jokowi, der schon früher seine Differenzen mit Megawati hatte, von seiner Partei entfremdet.

Die PDI-P schickt nun einen eigenen Bewerber ins Rennen ums höchste Staatsamt, während der Mann, der dort gegenwärtig noch sitzt, aus Gründen familiärer Verbundenheit auf den Sieg eines anderen setzt. Denn Jokowis ältester Sohn Gibran Rakabuming Raka tritt als »Running Mate«, also als möglicher Vize von Prabowo Subianto an. Der war 2014 und 2019 der unterlegene Gegenkandidat des heutigen Präsidenten. Aus der früheren Konkurrenz ist Kooperation geworden, in seiner zweiten Amtszeit hatte Jokowi den Exgeneral zum Verteidigungsminister berufen. Neben Prabowo sind seit 2019 etliche weitere erzkonservative Kräfte ins Regierungsbündnis integriert worden, ein maßgeblicher Grund dafür, dass verschiedene Reformansätze entweder gar nicht oder bestenfalls halbherzig umgesetzt wurden.

Das Duo Prabowo/Gibran liegt laut jüngsten Umfragen mit rund 51 Prozent Zustimmung klar vorne. Dabei hätte Gibran mit seinen 36 Jahren gar nicht antreten dürfen, da die verfassungsmäßige Altersgrenze für das Amt des Präsidenten beziehungsweise des Vizepräsidenten bei 40 Jahren liegt. Doch ausgerechnet unter dem Vorsitz seines Onkels gewährte das Verfassungsgericht eine Ausnahme, da Gibran als Bürgermeister der Großstadt Solo (Surakarta) bereits Verwaltungserfahrung habe sammeln können. Für Prabowo, mittlerweile 72, ist es nach den beiden vorangegangenen Wahlniederlagen möglicherweise die letzte Chance, doch noch den letzten Karriereschritt zum Präsidentenamt zu machen.

Der von den Demoskopen ermittelte Zuspruch ist die eine Seite. Viele fürchten andererseits einen Amtsantritt des früheren Militärs, der als Suhartos Schwiegersohn auch familiär mit dem Exdiktator verbunden war. Prabowos »Partei der Bewegung Großes Indonesien« (Gerindra) steht für einen stramm konservativen Kurs, mit dem sie in vielfältiger Form an die Politik des 1998 gestürzten Suharto anknüpft. Unterschwellig hat Prabowo wiederholt manche der demokratischen Errungenschaften seit 1998 in Frage gestellt, ist aber zumeist um moderate Töne bemüht, um möglichst breite Wählerschichten anzusprechen.

Sozialpolitische Akzente

Die PDI-P geht mit dem bisherigen Gouverneur von Zentraljava, Ganjar Pranowo, ins Rennen. Der 55jährige, von 2004 bis 2013 Abgeordneter des nationalen Parlaments, gilt als Liberaler und Bewunderer Sukarnos, dessen progressiver, linksnationalistischer Kurs 1965 zum Putsch rechter Kreise und zu einem regelrechten Vernichtungskrieg der von den USA und Westeuropa unterstützten Suharto-Clique gegen die Kommunistische Partei (PKI) führte, dem geschätzt eine halbe Million bis drei Millionen Menschen zum Opfer fielen. Als Vizekandidat an Ganjars Seite steht Mohammad Mahfud Mahmodin, ein früherer Richter des Verfassungsgerichts, in der aktuellen Regierung koordinierender Minister für politische, juristische und Sicherheitsfragen. In der Vergangenheit war er bereits Verteidigungs- und Justizminister. Der 66jährige ist inzwischen parteipolitisch nicht mehr gebunden, gehörte aber bis 2008 der islamisch-sozial, bedingt progressiv ausgerichteten »Nationalen Erweckungspartei« (PKB) an. Deren Gründer Abdurrahman Wahid (gestorben 2009) war nach dem Sturz Suhartos für zwei kurze Jahre erster demokratischer Staatschef, bis er zum Rücktritt genötigt wurde. Manchem gilt Wahid wegen seiner fortschrittlichen Orientierung rückblickend sogar als »heimlicher Sozialist«. Sich öffentlich als Linker zu bezeichnen ist aber im heutigen Indonesien, nicht zuletzt mit Blick auf die Geschichte, als die Einstufung als Kommunist lebensgefährlich war, noch immer kaum vorstellbar.

Die PKB gehört im aktuellen Wahlkampf zu den Unterstützern des dritten Duos, das aus Anies Baswedan (54), bisher Gouverneur von Jakarta, und PKB-Chef Abdul Muhaimin Iskander als Kandidat für den Vizeposten besteht. Iskander ist seit 2019 stellvertretender Parlamentspräsident und war 2009 bis 2014 schon mal Arbeitsminister. Die beiden, die außerdem von der rechtsliberalen Partei Nasdem und einigen kleineren Gruppen unterstützt werden, liegen laut jüngster Umfrage bei rund 21 Prozent und damit auf einer Stufe mit Ganjar/Mahfud. Sollte Prabowo nicht schon in Runde eins mehr als 50 Prozent der Stimmen erhalten, machen die beiden anderen Duos unter sich aus, wer im Juni in die Stichwahl einzieht.

Ganjar hat im Wahlkampf angekündigt, im Falle eines Wahlsiegs die Armutsbekämpfung zu forcieren, für mehr soziale Gerechtigkeit zu sorgen und die Inflation einzudämmen, und steht damit auf dem Boden der ursprünglichen Programmatik der als linksliberal eingestuften PDI-P, die davon in den vergangenen Jahren nicht allzuviel wissen wollte. Hinter Ganjar/Mahfud stehen aber auch die islamisch-konservative »Partei für Einheit und Entwicklung« (PPP) sowie die Hanura-Partei von Exgeneral Wiranto. Der Mann, der wie viele Indonesier nur einen Namen hat, war in der Übergangsphase nach Suhartos Abtritt Armeechef und wird vor allem mit den gravierenden Menschenrechtsverletzungen im besetzten Osttimor (Timor-Leste) rund um das dortige Unabhängigkeitsreferendum 1999 in Verbindung gebracht. Für die inzwischen ein Vierteljahrhundert zurückliegenden Verbrechen wurde bisher keiner der Topmilitärs zur Verantwortung gezogen.

Unklar ist in diesem Zusammenhang auch, was sich der damals in Osttimor als hoher Offizier stationierte Susilo Bambang Yudhoyono hat zuschulden kommen lassen. Er war von 2004 bis 2014 Staatspräsident und gehört mit der von ihm geführten Demokratischen Partei (DP) ebenso zum Bündnis um Favorit Prabowo wie die stramm konservative Golkar, die unter Suharto einst Staatspartei war und in der scheidenden Regierung mit Airlangga Hartato, dem koordinierenden Minister für Wirtschaftsangelegenheiten, eine Schlüsselposition am Kabinettstisch innehat.

Erstaunlich mutet der im Oktober erfolgte Lagerwechsel der progressiven Solidaritätspartei (PSI) an. Die erst 2014 gegründete Partei, die sich als Sprachrohr der jungen Generation versteht und keinen Amtsträger vorzuweisen hat, der älter als 45 Jahre ist, kann als einzige nennenswerte linke Kraft gelten und würde nach europäischen Maßstäben als linke Sozialdemokratie durchgehen. Ursprünglich hatte die Partei sich für Ganjar ausgesprochen, was programmatisch als logische Allianz galt, wirbt nun aber für Prabowo und Jokowis Sohn Gibran. Im nationalen Parlament ist die PSI mit ihrer Spitzenkandidatin Grace Natalie bisher nicht vertreten, hält dafür aber einige regionale Hochburgen.

Landgrabbing und andere Konflikte

Mögen die Bewerber um das Präsidentenamt programmatisch auch unterschiedlich aufgestellt sein, so ist von keinem von ihnen eine gründliche Auseinandersetzung mit der Diktatur zu erwarten. Mulki Makmun und Dodi Yuniar von der Menschenrechtsorganisation »Asia Justice and Rights« (AJAR) betrachten insbesondere die hohen Zustimmungswerte für Prabowo mit Sorge. Erklären ließen sie sich unter anderem damit, dass die Verbrechen der Diktatur nie umfassend aufgearbeitet wurden, sagen sie in einem Gespräch mit dem Autor in Jakarta. Ein Großteil der Wahlberechtigten ist so jung, dass sie dieses dunkle Kapitel entweder gar nicht oder höchstens noch als Kinder miterlebt haben. Selbst in den meisten Familien, sagen die AJAR-Mitarbeiter, werde kaum über die Vergangenheit gesprochen.

Zwiespältig sei aber auch das Erbe aus der zehnjährigen Jokowi-Zeit. »Es kommt wieder häufiger vor, dass Aktivisten, zum Beispiel bei Auseinandersetzungen um Landrechte, gewaltsam angegriffen werden. Und auch die Versammlungs- und die Meinungsfreiheit sind zuletzt eingeschränkt worden«, sagt Mulki Makmun. Sein Kollege Dodi schätzt ein, dass der als liberaler Reformer gestartete Jokowi in der zweiten Amtszeit den Einfluss des Militärs auf die Politik gestärkt habe.

Der Umstand, dass Jokowi eher aus einfacheren Verhältnissen stammt, zumindest nicht mit der alten Elite verbandelt war und während seiner Zeit als Bürgermeister von Solo und als Gouverneur von Jakarta immer auch als unverstellt, nahbar und zupackend galt, hatte vor zehn Jahren Hoffnungen auf einen anderen Politikstil genährt. Sie erfüllten sich nicht. Im Kampf gegen die Korruption hat der Staatschef, wenngleich er selbst weiterhin als integer eingeschätzt wird, wie seine Vorgänger versagt. Selbst einige Mitglieder der Antikorruptionskommission waren immer wieder in Skandale verwickelt.

Jokowi sei es ebensowenig gelungen, die alten Konfliktgebiete im Inselreich zu befrieden. Vor allem in Papua, dem Unruheherd ganz im Osten des Landes, sei die Lage fast noch schlimmer als zuvor, sagen die AJAR-Vertreter. »Von einem Frieden sind wir weit entfernt. Die Militarisierung schreitet dort stetig voran, die Meinungsfreiheit ist stark eingeschränkt. Und es gibt eine riesige Welle von neuen Siedlern aus Westindonesien, die Papua regelrecht überrollt. Dagegen wehren sich die Menschen. 2019 gab es den letzten großen Aufstand, der sich gegen den immer stärkeren Abbau von Rechten und Freiheiten richtete«, sagt Mulki Makmun. »Gerade die junge Generation geht verstärkt in den Widerstand. Und der Staat antwortet unter anderem mit einer längeren Abschaltung des Internets und lässt auch keine ausländischen Journalisten und Berichterstatter mehr dorthin.« Seit fünf Jahrzehnten kämpft der westliche Teil der Insel (der östliche bildet den Nachbarstaat Papua-Neuguinea) unter dem »Free Papua Movement« um seine Eigenständigkeit und wird dabei von Jakarta unterdrückt.

Nicht nur in Papua häufen sich die Fälle von Landgrabbing. Auch in anderen Regionen verschärfen sich die Konflikte infolge von Enteignungen, sagt Dodi Yuniar. So etwa in Kalimantan, dem indonesischen Teil der Insel Borneo, wo es rund um den Bau der neuen Hauptstadt Nusantara zu Vertreibungen der lokalen Bevölkerung zugunsten des milliardenschweren, aber nicht einmal komplett durchfinanzierten Großprojekts komme. Zentralsulawesi wiederum sei ein Hotspot bei der Bekämpfung radikalislamischer Gruppen, die den internationalen Netzwerken Al-Qaida und IS die Treue geschworen haben, erzählen die AJAR-Mitarbeiter auf. Generell litten Minderheiten, ganz gleich, ob religiöse – nicht zum sunnitischen Mehrheitsglauben gehörende islamische Gemeinschaften wie Schiiten und Ahmadiyas sowie Christen und Hindus – oder die LGBTQ-Community, unter verstärkten Anfeindungen und Übergriffen. Etwas Hoffnungen mache das Beispiel Aceh, inzwischen autonome Provinz an der Spitze Sumatras, wo 29 Jahre lang eine bewaffnete separatistische Auseinandersetzung getobt hatte. Der Konflikt werde nun von einer Wahrheits- und Versöhnungskommission, die gerade einen ersten Bericht vorgelegt hat, detailliert aufgearbeitet. 4900 Zeugenaussagen wurden bisher gesammelt und ausgewertet, die geschilderten Verbrechen entfielen vor allem auf vier große Bereiche – extralegale Tötungen, Folter, sexualisierte Gewalt und »Verschwindenlassen« von Personen. Stolz sei man darauf, betont Mulki Makmun, dass das Mandat der Kommission zeitlich nicht beschränkt sei, sie also eine dauerhafte Institution ist.

Unspezifische Präferenzen

Derweil lässt sich feststellen, dass der Wahlkampf jenseits von Jakarta mit geringerer Intensität vonstatten geht. Zum Beispiel in Bandung. In der Stadt, deren Ballungsraum immerhin 2,7 Millionen Einwohner zählt und in der ein Museum und ein Straßenname noch an die Gründung der Blockfreien-Bewegung 1955 erinnern, ist wesentlich verhaltener plakatiert. Das Zentrum wird dominiert von Plakaten der Demokratischen Partei um den Exmilitär Yudhoyono, aber abseits einiger Kreuzungspunkte fehlen sichtbare Wahlkampfzeichen komplett. Dennoch wissen die meisten schon, wo sie ihr Kreuz machen werden, wenngleich nicht unbedingt mit triftigen Gründen. »Er ist attraktiv«, lautet das dünne Argument der 25jährigen Verkäuferin Vidia Zafira, die für Prabowo stimmen will; nahezu gleichlautend bei den gleichaltrigen Studentinnen Arma und Al, die gerade an der Jalan Braga, wo sich noble Cafés und Restaurants konzentrieren, bei Passanten um Unterstützung für eine Kinderkrebsstation bitten.

In Jakarta wiederum sagt der Taxifahrer Ricky Pratama Purba, ihm sei eine Fortführung der Politik von Jokowi wichtig. Deshalb will er für Ganjar Pranowo stimmen, der mit der PDI-P die bisherige Präsidentenpartei hinter sich habe. Völlig unentschieden ist in der alten Königsstadt Yogyakarta, mehrere hundert Kilometer entfernt, sein Berufskollege Sis Agung. Der Mann Anfang 40, der erst seit sechs Monaten diesem Job nachgeht, war vorher Brummifahrer. Der Vater zweier Töchter, dessen jüngstes Kind mit nur vier Jahren während der Coronazeit starb, betrachtet die ganze Aufregung rund um die Wahl mit Distanz. »Politik ist für mich zweitrangig«, sagt er. Und während Menschenrechtsgruppen und Verbände von Opfern der Diktatur neue Gefahren aufziehen sehen, fehlt es im Wahlkampf abseits allgemeiner Versprechen vor allem an klaren Inhalten und fest umrissenen Visionen für eine weitere Entwicklung. Selbst die großen Fernsehdebatten zwischen den Präsidentschafts- und Vizekandidaten blieben blass.

Thomas Berger schrieb an dieser Stelle zuletzt am 1. Februar über den bewaffneten Konflikt in Myanmar.

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