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Aus: Ausgabe vom 14.02.2024, Seite 7 / Ausland
Nahostkonflikt

Menschenjagd in der Westbank

Nahostkonflikt: Israelische Siedler verstärken im Schutz der Armee Gewalt gegen Palästinenser
Von Gerrit Hoekman
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Von israelischen Siedlern zerstört: Ausgebranntes Auto bei Nablus im besetzten Westjordanland (13.2.2024)

Während in Rafah weit mehr als eine Million Menschen mit großer Angst auf die Bodenoffensive der israelischen Armee wartet, greifen im Westjordanland israelische Siedler palästinensische Einwohner an. Sie drohen, legen Feuer und reißen Olivenbäume aus dem Boden. Das Ziel: die Palästinenser von ihrem Grund und Boden zu vertreiben und sich weiter in der Westbank auszubreiten.

In Huwara, östlich von Nablus, zogen am Dienstag randalierende Siedler aus der 1984 völkerrechtswidrig errichteten Siedlung Jitzhar durch die Straßen. »Sie steckten zwei Fahrzeuge in Brand, beschädigten Häuser und verwüsteten einen Park«, sagte der örtliche Parteisekretär der auf der Westbank regierenden Fatah gegenüber Al-Dschasira. Reporter des TV-Senders berichten, Huwara sei inzwischen beinahe eine Geisterstadt.

Im nicht weit entfernt liegenden Dorf Asira Al-Kiblija sollen israelische Soldaten am Montag abend randalierende Kolonisten unter Einsatz scharfer Munition geschützt haben. Die vermutlich auch aus Jitzhar stammenden Siedler hätten in großer Zahl bewaffnet und maskiert das Dorf überfallen. Die anwesende israelische Armee habe Blend- und Tränengasgranaten auf die Wohnhäuser gefeuert, erzählte der Dorfvorsteher gegenüber Al-Dschasira. Die Soldaten hätten nichts unternommen, um den Mob aufzuhalten. Auch als die Randalierer das Haus einer acht Köpfe zählenden Familie attackierten, Türen und Fenster einschlugen, griff die Armee nicht ein.

Ebenfalls am Montag berichtete die israelische Menschenrechtsgruppe »Jesch Din« laut der Internetzeitung Times of Israel, dass uniformierte Siedler aus Jitzhar bei der Ortschaft Madama einen Bauern daran gehindert hätten, seine Arbeit zu verrichten. Der Landwirt habe sich zurückziehen wollen, die Siedler hätten ihm jedoch den Weg versperrt. Als dann ein weiterer Palästinenser mit einem Lkw eintraf, um dem Bauern zu helfen, sei dieser mit Steinen beworfen und beschossen worden, wodurch sein Traktor beschädigt wurde. Später hätten die Siedler in Madama selbst Dorfbewohner mit Schusswaffen und Steinen angegriffen.

Im Dorf Kisan, östlich von Bethlehem, stahlen Siedler einer Familie rund 40 Schafe, einen Traktor und ein Auto, meldete die palästinensische Nachrichtenagentur WAFA. Der Vorsitzende des Dorfrates sagte demnach, die Kolonisten seien aus Richtung der völkerrechtswidrig errichteten Siedlung Maale Amos gekommen, wo etwa 300 Menschen leben. Später sei die israelische Armee zurückgekehrt – um den bestohlenen Bauern festzunehmen. Seine Frau wurde am Dienstag leicht verletzt im Krankenhaus behandelt.

In Al-Sawija, südlich von Nablus, griffen Einwohner der illegalen jüdischen Siedlung Rehelim Hirten an, während sie ihre Herde weiden ließen. »Sie wurden gejagt und mit Steinen beworfen. Die Siedler versuchten, ihre Herde zu stehlen«, zitierte Al-Dschasira am Dienstag den Vorsitzenden des Dorfrates. »Sie haben auch ein Fahrzeug angezündet.« Ferner sollen die Angreifer mehr als 700 Bäume entwurzelt und zerstört haben. Den Bauern der Gegend soll damit die Lebensgrundlage entzogen werden.

Dass die israelische Besatzungsmacht am Montag und Dienstag auch wieder in zahlreichen Dörfern und Städten auf der Westbank zu Razzien ausrückte und Menschen festnahm, ist bitterer Alltag. In Ramallah verhafteten die Soldaten am Dienstag einen 17- und einen 18jährigen, meldete WAFA. Insgesamt belief sich die Zahl der Festnahmen in der Westbank in der Nacht zu Dienstag auf 22 Personen.

In der Nähe von Dschenin schossen Soldaten ein Wohnhaus in Brand, um einen Palästinenser, der sich noch darin befand, zum Herauszukommen zu zwingen. In Kalkilja wurde laut WAFA am Dienstag ein junger Mann in seinem Auto von israelischen Soldaten erschossen. Augenzeugen berichteten, Sanitäter seien daran gehindert worden, den Mann medizinisch zu versorgen. In der Nähe der illegal errichteten israelischen Siedlung Efrat soll nach israelischen Angaben ein Palästinenser am Dienstag morgen versucht haben, einen Soldaten zu überfahren. Die Armee eröffnete das Feuer, der Täter konnte aber offenbar fliehen.

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