»Die Schulen gerieten teils unter Beschuss«
Interview: Marc BebenrothIhr Verein Zukunft Donbass hat auf die für dieses Jahr geplante Spendentouren aufmerksam gemacht. Wem wollen Sie konkret helfen?
Das uns gespendete Schulmobiliar wollen wir auf zwei bis drei Schulen in der Donezker Volksrepublik verteilen, die Region im Donbass. Zwei feste Kandidaten haben wir bereits.
Worauf dürfen sich die Schulen freuen?
Höhenverstellbare Schultische, Stühle, Arbeitstische für Lehrerzimmer und andere Ausstattung. Diese Grundschulen gerieten zum Teil unter Beschuss und sind auch grundsätzlich in einem wirklich schlechten Zustand.
Und wer war so großzügig?
Das sind zwei Schulen in Sachsen, im Erzgebirge.
Unter welchen Bedingungen findet im Donbass Unterricht statt?
Unter äußerst prekären. Wenn die Schulen in Reichweite des Raketenbeschusses sind, werden die Kinder im Fernunterricht betreut. Es gibt aber wirklich sehr viele Schulen, in denen Präsenzunterricht gemacht wird. Das Problem ist auch die schlechte Ausstattung, gerade in kleineren Ortschaften. In manchen ist das Schulinventar zum Teil seit 20 bis 30 Jahren nicht erneuert worden. Ein Kandidat für unsere Lieferung liegt in Khanzhonkowo. Das ist nicht weit weg vom Zentrum von Donezk, noch in Schussweite ukrainischer Raketen.
Wie schaffen Sie es überhaupt, Hilfsgüter dorthin zu bringen?
Mit teils großen Schwierigkeiten. Da wir das schon seit 2016 machen, haben wir eine gewisse Erfahrung sowie sehr zuverlässige Partner vor Ort. Dennoch müssen wir uns immer anpassen. Als dem weißrussischen Speditionsunternehmen quasi das Befahren von EU-Territorium untersagt wurde, musste man beim Bundesamt für Ausfuhrkontrolle eine spezielle Genehmigung einholen. Die Lieferlisten werden geprüft und meist bekommen wir das Okay. Vom deutschen Zoll werden wir auch kontrolliert, bei jeder Beladung, seit 2022. Brauchten wir dafür vorher vier bis fünf Stunden, sind es jetzt deutlich mehr, weil jede Kiste aufgemacht wird. Heikel wird es auf der polnischen und litauischen Seite. Je nachdem, wo wir gerade lang fahren können, ist immer irgend etwas bei den Grenzübertritten. Durch die Ukraine zu fahren, war gar nicht möglich.
Sind Sie auf Kooperation mit der Administration in Donezk angewiesen?
Ja, auch auf der russischen Seite gibt es Vorschriften. Man muss Lieferungen anmelden bei einer zentralen Stelle und einen sogenannten Verteilungsplan einreichen: welche Schule, welches Krankenhaus, welche Organisationen Spenden bekommt. Da gibt es Listen, Dokumente mit Stempel und Unterschrift. Erst wenn das alles da ist und die russische Seite den Transport als humanitär anerkennt, fahren wir los.
Hatte sich das 2022 geändert?
Die LNR (Volksrepublik Lugansk, jW), wohin wir hauptsächlich geliefert haben, weil dort einfach sehr wenig humanitäre Hilfe angekommen ist, hatte einen eigenständigen Zoll. Da war es ein bisschen einfacher. Jetzt gilt das wesentlich komplexere und aufwendigere russische Gesetz.
Was sagen Ihnen Ihre Partner über die Stimmung innerhalb der Bevölkerung?
Die Stimmung ist auf der einen Seite natürlich gedrückt, depressiv. In einem unmittelbaren Kriegsgeschehen jeden Tag den Alltag zu organisieren, ist für die meisten sehr schwierig. Alte oder erkrankte Menschen können nicht ausreichend versorgt werden. Kinder können nicht zur Schule, weil die Gegend manchmal tagelang unter Beschuss ist. Auf der anderen Seite gibt es auch Hoffnung durch den Beitritt zur Russischen Föderation, dass der Krieg aufhört.
Wie vielen Menschen konnten Sie helfen?
Wir sind jetzt bei unserem 41. Spenden-Lkw. Das sind über 400 Tonnen Spendengüter. Wir haben zum Beispiel seit 2017 jährlich einen Weihnachts-Lkw gemacht. So konnten wir pro Jahr immer um die 500 bis 600 Kinder beschenken. Unsere Partner in Lugansk hatten 2022 über 1.500 sogenannte Ausgebombte und Binnenflüchtlinge in der Betreuung. Es gab eine Kleiderkammer sowie Verteilung von Lebensmitteln und Haushaltsgegenständen. Unser jetziger Partner in der Donezker Region versorgt etwa 2.500 Menschen. Genau beziffern kann ich die Zahl derer, denen wir helfen konnten, aber nicht. Für die Schulen rufen wir weiter zu Sachspenden auf, von Schreibmaterial bis zu Küchenausstattungen. Vor allem werben wir jetzt auch um Geldspenden, um diese Transporte zu organisieren.
Iwana Steinigk ist Mitglied im Vorstand von Zukunft Donbass e. V.
Mehr unter: zukunftdonbass.org
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Leserbrief von A. Koslowski aus Berlin (14. Februar 2024 um 09:08 Uhr)Dieses Engagement ist bewundernswert. Die Solidarität zweier deutscher, vom Bildungsnotstand betroffener Schulen mit den Schwächsten der Gesellschaft, die wie immer am meisten unter den Sanktionen leiden, beeindruckt mich zutiefst. Dies ist ein schönes Beispiel, wie es gehen kann, dass man all denen entgegenhalten kann, die immer nur etwas von »deutschen Interessen«, »deutsche Wirtschaft«, »deutschen Arbeitnehmern« und ähnlichem nationalistischen Quark faseln.
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