Brüssel macht Bauern Zugeständnisse
Von Raphaël SchmellerMit einem Alleingang versucht die EU-Kommission, die Bauernproteste in Europa einzudämmen. Wie aus einer Veröffentlichung im EU-Amtsblatt vom Dienstag hervorgeht, hat Brüssel trotz Uneinigkeit unter den Mitgliedstaaten Zugeständnisse an die Landwirte durchgesetzt und eine Ausnahme von den Regeln für einen Mindestanteil an Brachland auf Ackerflächen beschlossen.
Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU sieht vor, dass Landwirte vier Prozent ihrer Nutzfläche brachliegen lassen. Damit sollen Flächen für wildlebende Arten geschaffen werden. Mit Beginn des Krieges in der Ukraine hatte die Kommission diese Regelung aus Sorge um die Ernährungssicherheit vorübergehend ausgesetzt. Nun soll die Ausnahmeregelung bis Ende des Jahres verlängert werden. Allerdings führt Brüssel eine Ersatzvorschrift ein: Demnach erfüllen Landwirte die Anforderung, wenn sie »einen Mindestanteil von vier Prozent ihrer Anbauflächen für nichtproduktive Flächen und Merkmale« nutzen, heißt es in der Veröffentlichung vom Dienstag. Dazu zählen neben brachliegenden Flächen auch der Anbau stickstoffbindender Pflanzen wie Linsen, Erbsen und Bohnen oder Zwischenfrüchten.
Ursprünglich hatte Brüssel einen Mindestanteil von sieben Prozent der Ackerfläche für stickstoffbindende Pflanzen vorgeschlagen, was Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) begrüßte. Mit der Absenkung auf vier Prozent schieße die Kommission über das Ziel hinaus, kritisierte Özdemir vergangene Woche, als die neuen Pläne bekanntwurden.
In einer ersten Abstimmung am Freitag hatte sich Deutschland deshalb der Stimme enthalten. Auch andere EU-Länder enthielten sich, eine Mehrheit kam nicht zustande. Nach geltendem EU-Recht ist die Kommission bei ihrer Entscheidung aber nicht auf die Zustimmung der Mitgliedstaaten angewiesen. Sie kann die Pläne im Alleingang durchsetzen – was sie nun getan hat. Dafür erhielt sie vor allem Lob von der französischen Regierung, die sich seit Wochen mit heftigen Bauernprotesten konfrontiert sieht und deshalb auf Ausnahmen von den EU-Umweltauflagen gedrängt hatte.
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P.S.: Ich beschreibe auch nicht den Willen zu einer Verteuerung von Lebensmitteln, sondern schlicht die objektive Realität, wie ich sie, unter Zuhilfenahme einschlägiger Dokumentation, wahrnehme: Phosphorkrise kann man in der Suchmaschine der Wahl leicht ausfindig machen; Arte hatte auch schon bewegte Bilder dazu im Programm. Allerhöchstens können wir den Schock abfedern und möglicherweise Effizienzverluste begrenzen, aber die Richtung ist klar. Wenn wir gar nichts tun und den »Markt regeln« lassen, werden die Schockwellen ein Maximum erreichen. Ich plädiere deshalb eher für einen Schock auf Raten, der dann vielleicht gar nicht mehr als solcher in Erscheinung tritt.