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Aus: Ausgabe vom 13.02.2024, Seite 4 / Inland
Militarisierung

Vorbereiten auf den Krieg

Neuer »Operationsplan Deutschland«: Ausbau von »Zivilschutz« für etwaigen Waffengang gefordert
Von Karim Natour
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Soldaten proben eine medizinische Rettungsaktion (Köln, 23.10.2023)

Wer Krieg führen will, braucht nicht nur eine Armee, sondern muss auch dafür sorgen, dass relevante Teile der Bevölkerung hinter dem Waffengang stehen. Ein Mittel, diese Zustimmung zumindest wahrscheinlicher zu machen, ist, den Eindruck zu vermitteln, dass der Schutz der Zivilbevölkerung im Kriegsfall gewährleistet wäre. Ähnlich wie bei der Hochrüstung ist es außerdem taktisch sinnvoll, vorher die Vorstellung zu erwecken, dass ein Mangel vorherrsche, damit entsprechende Maßnahmen plausibler werden.

In diesem Sinne äußerte sich am Montag die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz (CSU), und erklärte gegenüber der dpa: »Deutschland ist im Bereich zivile Verteidigung erschreckend schlecht aufgestellt.« Die Verantwortung trage vor allem Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Leon Eckert (Bündnis 90/Die Grünen) erklärte: »Wer Menschenleben im Kriegsfall schützen will, muss in dieser veränderten Sicherheitslage den Zivilschutz deutlich stärken.« Diese Botschaft sei leider »trotz Zeitenwende noch nicht überall angekommen« – ein Hinweis darauf, dass Aufrüstung nur ein Aspekt der Vorbereitung auf den Krieg ist.

Die Debatte über den Schutz der Bevölkerung im Kriegsfall findet im Kontext des neuen »Operationsplans Deutschland« (Oplan) statt. In diesem bekommt die BRD erstmals seit dem Ende des Kalten Kriegs einen »Verteidigungsplan« für einen möglichen Krieg (gegen Russland) mit detaillierten Vorgaben für militärische und zivile Stellen. Das Territoriale Führungskommando der Bundeswehr (TFK) soll den »Operationsplan« für die »gesamtstaatliche Verteidigung des Bundesgebiets« bis Ende März fertigstellen. Der Schutz der Bevölkerung und die Verteidigung der Infrastruktur sowie der Schutz eines Truppenaufmarsches der NATO sind explizit Bestandteil der Vorbereitungen.

Während der Katastrophenschutz in Deutschland Ländersache ist, ist im Krieg der Bund für den Schutz der Bevölkerung zuständig. Aufgrund der enormen Bedeutung, die die Einbindung der Zivilbevölkerung in einem künftigen Krieg besitzt, werden das Bundesinnenministerium und die Bundesländer im Plan neben der Bundeswehr als »zweite Säule« geführt. Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums bestätigte der dpa, das Ministerium sowie das unterstellte Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe begleiteten die Erstellung des »Operationsplans« eng. Dass aufgrund des immensen destruktiven Potentials eines tatsächlichen Kriegs zwischen der NATO und Russland oder China keine Rede vom »Schutz der Zivilbevölkerung« sein kann, steht auf einem anderen Blatt.

Lindholz forderte indes außerdem den Aufbau einer zivilen Personalreserve. Die Reserve der Bundeswehr sei in den vergangenen Jahrzehnten häufig in der Amts- und Katastrophenhilfe eingesetzt worden, so der Abteilungsleiter Planung im TFK, Frank Fähnrich, bei einer Veranstaltung der »Reservistenarbeitsgemeinschaft Bundestag« im vergangenen Oktober. Zukünftig soll sie hingegen vor allem der »Verteidigung kritischer Infrastruktur« dienen. Weil die Militärstrategen damit rechnen, dass im Kriegsfall ein Großteil der regulären Bundeswehr-Soldaten an der Ostfront kämpft, müssen einige Tätigkeiten von »Heimatschutzregimentern« übernommen werden, die in erster Linie aus Reservisten bestehen. Man ist also auf die Rückendeckung an der Heimatfront angewiesen. Und was für Berufssoldaten gilt, gilt um so mehr für die Zivilbevölkerung, von der Teile unter anderem aufgrund der 2011 ausgesetzten allgemeinen Wehrpflicht erst wieder mit dem Thema »Vaterlandsverteidigung« vertraut gemacht werden müssen: Früh übt sich, wer ein Meister werden will.

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