Stühlerücken im Bundestag
Von Marc BebenrothEs ist der etwas andere Drehtüreffekt. Die Linke-Gruppe im Bundestag wechselt den Gewerkschafter Pascal Meiser gegen den Akademiker Jörg Cezanne, vor Jahrzehnten Mitglied des Bundesvorstandes der SDAJ, aus. Das teilte der Kovorsitzende der Linkspartei, Martin Schirdewan, am Montag in Berlin mit. Der Wechsel erfolgt, nachdem bei der teilweisen Wiederholung der Bundestagswahl neben FDP, SPD und Bündnis 90/Die Grünen auch Die Linke ein Bundestagsmandat einbüßen muss. Und das, obwohl etwas mehr Stimmen als bei der ursprünglichen Bundestagswahl auf sie entfielen. Der Grund: Deutlich weniger Wahlberechtigte haben sich an der Teilwiederholung beteiligt.
Bei Cezanne handelt es sich nicht um den ersten Nachrücker. Ursprünglich sollte Christine Buchholz, die wie er aus Hessen kommt und wie er bereits dem Bundestag angehört hatte, ihren Parteikollegen Meiser ablösen. Doch Buchholz lehnte überraschend das Mandat ab. Zur Begründung heißt es in ihrer persönlichen Erklärung vom Montag, dass sie sich »wiederholt in Konflikt mit der mehrheitlichen Linie der Partei und der Fraktion gebracht« sehe. Die Linkspartei agiere im Umgang mit Kritik an der NATO-Kriegsallianz »defensiv« und habe »in der Kritik der deutschen Unterstützung für Israels Krieg in Gaza« versagt. Kurzum: Ihre Partei werde »ihrer Aufgabe als Antikriegspartei in den aktuell entscheidenden Situationen nicht gerecht«, so Buchholz.
Spekulationen darüber, ob die bei der Antikriegskoordination Berlin engagierte Linke-Politikerin sich deshalb nun der neuen Partei Bündnis Sahra Wagenknecht zuwende, beerdigte Buchholz sogleich selbst: »BSW ist für mich keine Alternative.« Dort werde mit Forderungen nach strikt begrenzter Einwanderung an die – demagogische – rechte »Boot ist voll«-Rhetorik angeknüpft. Statt dessen wolle Buchholz sich dort einbringen, wo sie »außerhalb des Parlaments« mit anderen aus der Linkspartei »und darüber hinaus« gegen Krieg und das Erstarken des Faschismus wirken könne.
Auch die übrigen im Bundestag vertretenen Parteien müssen Mandatsträgerinnen und -träger auswechseln. So muss die Berliner Grünen-Kovorsitzende, Nina Stahr, ihren Posten für einen Parteikollegen aus NRW räumen. Nur die Liberalen verlieren ersatzlos einen Sitz im Bundestag, haben damit noch 91 Abgeordnete. Die FDP büßte durch die Teilwiederholung in den betroffenen Bezirken 5,7 Prozentpunkte. Linkspartei (plus 0,7) und die Grünen (plus 0,5) konnten sich minimal steigern. Die AfD erhielt 5,6 Prozentpunkte mehr, die CDU legte um 6,9 Prozentpunkte zu.
Das Minus der SPD beläuft sich sogar auf satte 7,8 Prozentpunkte. Dort war die Standarderklärung schnell gefunden: »Der Bundestrend hat sich auch in Berlin abgebildet«, sagte der Landesvorsitzende Raed Saleh dem Magazin Spiegel am Montag. Er forderte eine Analyse der Ursachen des beachtlichen Stimmverlusts mit dem Ziel, die »Arbeit in der Ampel« zu »optimieren« und diese auf Länderebene dem Publikum besser zu »kommunizieren«. Salehs Amtskollegin, Franziska »Bauen, Bauen, Bauen« Giffey fiel dazu ein, dass ihre Partei in der Bundesregierung »die Unzufriedenheiten, die in der Bevölkerung da sind«, stärker aufgreifen müsse.
Zur Wahl aufgerufen waren die dazu Berechtigten in gut einem Fünftel aller Berliner Bundestagswahlbezirke. Tatsächlich abgestimmt hat etwa nur die Hälfte. Die Wahlbeteiligung lag bei 51 Prozent, wie Landeswahlleiter Stephan Bröchler am Montag in Berlin sagte. »Aus organisatorischer Sicht ist die Wahl gut gelaufen«, ließ er den Rundfunk Berlin-Brandenburg wissen. Allerdings räumte er ein, dass in Pankow Wahlhelfer erst nicht an die Wahlunterlagen kamen. Es fehlte ein Schlüssel. Nach rund 40 Minuten konnten Menschen dort ihre Stimme abgeben.
Die teilweise Wiederholung der Bundestagswahl von 2019 war notwendig geworden, nachdem eklatantes Verwaltungsversagen in etlichen Wahlbüros zu Verzögerungen sowie ein zugleich stattfindener Marathonlauf für logistische Herausforderungen geführt hatte.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in olaf g. aus Oldenburg (13. Februar 2024 um 19:27 Uhr)Jörg Cezanne war nie Bundesvorsitzender der SDAJ. Er war von 1982 bis 1989 Mitglied des Bundesvorstands sowie von 1966 bis 1989 im Sekretariat des Buvo. Bundesvorsitzende bis 1989 waren Rolf Priemer, Wolfgang Gehrke, Werner Stürmann und Birgit Radow.
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