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Aus: Ausgabe vom 13.02.2024, Seite 2 / Inland
Aufbau sozialistischer Kräfte

»Man spricht in Sachen Krieg die gleiche Sprache«

Berlin: Antikriegskampagne des »Bunds der Kommunist:innen« in mehreren Bezirken angelaufen. Ein Gespräch mit Jannis Voigt
Interview: Marc Bebenroth
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Demonstrationszug in Berlin-Neukölln anlässlich der »Revolutionären 1.-Mai-Demonstration« 2023

Der »Bund der Kommunist:innen« hat eine Antikriegskampagne in mehreren Berliner Bezirken gestartet. Weshalb haben Sie sich für diesen lokalen Ansatz entschieden?

Die aktuelle Kampagne »Stoppt die Kriegstreiber!« hatten wir seit November vorbereitet, weil ein entscheidendes Thema auch in der Nachbarschaft immer wieder die westliche Kriegspolitik war. In Lichtenberg haben wir eher zur Ukraine gearbeitet, in Neukölln sehr viel zu Palästina und im Wedding haben die Genossinnen und Genossen zu Mali und der ganzen Afrikapolitik gearbeitet. Dies wollen wir zusammenführen in einer Nachbarschaftsdemonstration am 24. Februar am S-Bahnhof Lichtenberg.

Worin unterscheidet sich Ihr Aufruf zu anderen?

Wir wollen nicht nur Kampagnen um der Kampagnen willen machen. Wer diese Inhalte gut findet, soll sich in unseren Zusammenhängen organisieren. Es geht uns um den Aufbau einer starken sozialistischen Kraft, weil ohne die wird auch die Bewegung gegen imperialistische Kriege nicht vorankommen. Im Moment sehen wir gesamtgesellschaftlich auf der politischen Ebene vor allem eine Auseinandersetzung zwischen einem transatlantischen, total auf Kapitalinteressen getrimmten Linksliberalismus und einer faschistischen, rassistischen Scheinopposition.

Der 24. Februar, warum an diesem Tag?

Das bezieht sich auf den Beginn des Einmarsches der russischen Armee in die Ukraine. Wir hatten ein Datum gesucht, an dem die gesellschaftliche Aufmerksamkeit möglicherweise wieder auf diesem Krieg liegt. Ursprünglich wollten wir die Ukraine viel mehr in den Fokus stellen, aber das war vor dem Beginn des israelischen Angriffs auf den Gazastreifen. Schließlich haben wir sie zu einer allgemeinen Antikriegskampagne gemacht, denn die deutsche Bereitschaft zu militärischer Durchsetzung westlicher Interessen wächst an mehreren Konfliktherden. Wichtig ist uns dabei, zu vermitteln, dass es auch im Eigeninteresse der arbeitenden Bevölkerung hier ist, den Imperialisten in den Arm zu fallen.

Bis dahin sind insgesamt zwölf Veranstaltungen geplant. Wie wurden die bisher angenommen?

Meist kommen circa 30 bis 50 Leute. Die Rückmeldungen sind durchaus positiv. Gerade bei uns in der Nachbarschaft sind ohnehin viele gegen die Kriegstreiberei der Ampel, finden aber etwa in der Linkspartei auch nicht mehr unbedingt eine politische Stimme, die dieser Ablehnung Ausdruck verleiht. Ins Gespräch kommen wir mit einer Mischung aus schon politisierten Leuten und Menschen, die nicht organisiert oder explizit politisch sind. Ich arbeite in unserem Lichtenberger Laden. Da sind auch DDR-Sozialisierte, man spricht in Sachen Krieg die gleiche Sprache. In Neukölln auch. Viele dort sind solidarisch mit dem Befreiungskampf in Palästina. Und auch im Arbeitsalltag hört man immer öfter, wie satt Kollegen diese deutsche Ukraine-Politik haben. Milliarden fließen in einen Feldzug, während hier kaum noch einer über die Runden kommt. Eine gute Ausgangslage – wenn man nicht jedes Thema der AfD überlässt.

Stoßen Ihre Plakatmotive auf Zuspruch?

Sie sind sehr offensiv gestaltet. Die deutsche Bundesregierung ist in ihren wichtigsten Vertretern abgebildet und durchgestrichen. US-Präsident Joseph Biden ist auch dabei sowie das NATO-Symbol. Dazu »Stoppt die Kriegstreiber«. Einerseits hast du viele durchschnittliche Leute, die das gut finden. Aus einem links-grünen Milieu dagegen hörst du, die Motive würden wie welche auf rechten Plakaten aussehen. Was irgendwie schräg ist. Vor nicht allzu langer Zeit wäre kaum jemand auf die Idee gekommen, Kritik an einer militaristischen, neoliberalen, flüchtlingsfeindlichen Regierung wäre ein Monopol der Rechten. Im Netz kam dann aber auch die Nachfrage, warum wir nicht in erster Linie Russland verurteilen.

Und was antworten Sie denen?

Es tut immer ein bisschen weh, erklären zu müssen, dass wir keine prorussische Position vertreten. Aber offensichtlich ist das alte Diktum von Liebknecht nicht mehr selbstverständlich: »Der Hauptfeind steht im eigenen Land.« Daran wiederum haben die hiesigen Konzern- und Regierungsmedien keinen geringen Anteil. Es wird einem 24 Stunden am Tag erklärt, dass der jeweilige geostrategische Feind des Westens das Böse schlechthin sei, während in Washington und Berlin nur ausgewiesene Menschenfreunde sitzen.

Jannis Voigt (Name ­geändert) engagiert sich in seiner Freizeit für den »Bund der Kommunist:innen« in Berlin

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