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Aus: Ausgabe vom 10.02.2024, Seite 8 / Abgeschrieben

Ghassan Hage zu seinem Rauswurf durch die Max-Planck-Gesellschaft

Der als Gastdozent am Max-Planck-Institut (MPI) für Sozialanthropologie in Halle (Saale) tätige libanesisch-australische Wissenschaftler Ghassan Hage nahm am Donnerstag in einer Erklärung Stellung zu seinem mit seiner Positionierung zum Gazakrieg begründeten Rauswurf durch die Max-Planck-Gesellschaft:

Am Mittwoch, dem 31. Januar, wachte ich morgens auf und erhielt eine E-Mail von der rechtsgerichteten Zeitung Welt am Sonntag. Darin wurde ich als »jahrelanger Aktivist der BDS-Boykottbewegung« bezeichnet, was nie der Fall war. Ich nehme meine Arbeit als Akademiker zu ernst, als dass ich Zeit hätte, ein Aktivist zu sein. Das sogenannte Rechercheteam der Zeitung teilte mir mit, dass »seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober aufgefallen ist, dass Sie sich zunehmend drastisch gegenüber dem Staat Israel geäußert haben« … Es schien ihnen nicht in den Sinn zu kommen, dass dies vielleicht daran lag, dass Israel an einem andauernden Massenmord an Palästinensern beteiligt war. (…) Der Artikel ist in der Tat erschienen. Darin wurde ich in verschwörerischer Weise als Handlanger einer Art BDS-Gruppe dargestellt. Meine Aufgabe ist es, die akademische Welt zu infiltrieren. Ich hatte meine Arbeit in Australien beendet und war nun dabei, Deutschland zu infiltrieren. (…)

Mir wurde (vom MPI, jW) mitgeteilt, dass eine ähnliche Anfrage nicht nur an sie, sondern auch an den Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft in München geschickt wurde. Mir wurde auch mitgeteilt, dass der Präsident die E-Mail an die Anwälte der Gesellschaft weitergeleitet hat. Niemand in München, weder ein Anwalt noch sonst jemand, hat mich kontaktiert oder um meine Meinung zu den oben genannten Punkten gebeten. Am nächsten Tag (…) teilte mir der Vorstand des MPI mit, dass es eine zentrale Entscheidung gebe, wonach das MPI seine Beziehung zu mir abbrechen müsse. (…)

Ich habe ein politisches Ideal, für das ich in bezug auf Israel/Palästina immer gekämpft habe. Es ist das Ideal einer multireligiösen Gesellschaft, in der Christen, Muslime und Juden gemeinsam in diesem Land leben. (…) Ich habe sowohl Israelis als auch Palästinenser kritisiert, die gegen ein solches Ziel arbeiten. (…)

Es ist offenbar antisemitisch, einen Vergleich zwischen Israel und den Nazis anzustellen. So wurde es mir jedenfalls gesagt. Soweit ich das verstanden habe, ist dies, kurz gesagt, das, was mich mit den Juristen der Max-Planck-Gesellschaft in Konflikt gebracht hat. Was für mich eine faire, intellektuelle Kritik an Israel ist, ist für sie ›Antisemitismus im Sinne des deutschen Rechts‹.

Deshalb hätte ich damit leben können, wenn der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft sich darauf beschränkt hätte, etwas wie das oben Gesagte zu sagen. Es mag mir nicht gefallen, wie die Kritik an Israel mit Antisemitismus in einen Topf geworfen wird, und ich finde den Pseudophilosemitismus der Deutschen eigennützig und zuweilen rassistisch, da er dazu dient, die Palästinenser und ganz allgemein die arabische und muslimische Gemeinschaft in Deutschland zu rassifizieren. (…) Die Tatsache, dass diese intellektuelle Welt, zu der ich gehörte, so leicht zerstört werden kann und dass die Leiter von akademischen Einrichtungen Angst haben und es geschehen lassen, anstatt die Vitalität des akademischen Raums unter ihrer Leitung zu verteidigen, ist eine echte Tragödie.

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