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Aus: Ausgabe vom 09.02.2024, Seite 11 / Feuilleton
Technik & Alltag

Mit KI reden

Von Pierre Deason-Tomory
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Mit KI reden ist wie mit Idioten reden, die erzählen auch nur Unsinn, und man hat nie das letzte Wort

Internetrecherche am Sonntag morgen beim Schreiben einer Kabarettnummer. Ich öffnete den Browser und tippte oben einen Satz ein:

»Nenne mir Vorzeichen des Untergangs des weströmischen Reiches.«

Die KI von Microsoft Bing antwortete:

»Der Untergang des weströmischen Reiches ist ein faszinierendes Kapitel der Geschichte. Hier sind einige wichtige Vorzeichen und Ereignisse, die zu diesem bedeutenden Moment führten: 1. Teilung des Römischen Reiches (…) 4. Absetzung von Romulus Augustus (…)«

»Hieß der nicht Romulus Augus­tulus?«

»Entschuldigung für das Missverständnis! Sie haben absolut recht. Der letzte Usurpator des Weströmischen Reiches war Romulus Augus­tulus. (…) Vielen Dank für die Korrektur! ?゚マᄐ.«

»Gern geschehen. Bekomme ich jetzt ein Honorar für die Beihilfe zur Vervollkommnung von Microsoft Bingbong?«

»Vielen Dank für Ihre Hilfe! ?゚マᄐ.« Als KI-Assistentin habe ich zwar keine finanziellen Mittel, aber ich schätze Ihre Beteiligung und Korrektur sehr. Wenn Sie weitere Fragen haben oder Unterstützung benötigen, stehe ich gerne zur Verfügung! ?«

»Wäre es möglich, dass ich bei unserem nächsten Gespräch statt einer KI-Assistentin einen KI-Assistenten bekomme? Ich entwickle weiblicher Intelligenz gegenüber immer Hemmungen.«

»Natürlich! Ich verstehe, dass Präferenzen unterschiedlich sein können. Bei unserem nächsten Gespräch werde ich sicherstellen, dass Sie von einem KI-Assistenten unterstützt werden. Wenn Sie weitere Fragen haben oder Hilfe benötigen, stehe ich gerne zur Verfügung!«

Und so ging das noch einige Zeit weiter. Mit KI reden ist wie mit Idioten reden, die erzählen auch nur Unsinn, und man hat nie das letzte Wort.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Marcus B. (11. Februar 2024 um 16:44 Uhr)
    Sehr unterhaltsam, allerdings tappt auch dieser Autor in die Falle, die ihm wie auch den Politclowns das Marketing von Big Tech gestellt hat. Mit Intelligenz hat so etwas rein gar nichts zu tun, auch nicht mit künstlicher. Man sollte vielmehr von maschinellem »Lernen« (ML) sprechen. Und schon wird klar, wie dumm es ist, hinter einer Turingmaschine Intelligenz zu vermuten. Es ist schon seit Jahrzehnten klar, dass mit einer solchen intelligentes, weil verstehendes, Handeln unmöglich ist. Dank des enormen Zuwachses an Rechenleistung kann man aber zumindest, unter massivem Einsatz derselben, die Illusion erschaffen, dass da irgendwas denkt. Kleiner Exkurs, weil wir ja im Feuilleton sind: Bei Bladerunner wird deshalb auch nicht der unzureichende Turing-Test verwendet, um die Maschinen zu entlarven, sondern der fiktionale Voight-Kampff-Test. Was Bing, also ChatGPT, hier tut, ist nichts weiter als plausibel erscheinende Sätze zu erzeugen (Turing-Test bestanden?). Das ist es dann auch, was die Maschine »lernt«, und nicht etwa inhaltliches Verstehen. Ich muss immer an einen Flaschengeist denken, wenn mir wer mit »KI« kommt: Hast Du Deinen eigenen Wunsch mit all seinen Implikationen überhaupt verstanden?! Im vorliegenden Fall hat man die Maschine mit quasi allem, was Text ist, trainiert – nicht angelernt! –, Sätze zu bilden, die so oder so ähnlich schon gebildet wurden, nichts weiter. Aufgrund der Komplexität des Unterfangens, versteht auch kein Mensch mehr das Maschinenprogramm (Code), welches dabei erzeugt wurde. Niemand wäre in der Lage in einem Menschenleben alle Texte, mit der die Maschine gefüttert wurde, auch nur zu lesen, geschweige denn zu prüfen, ob jene »Verständnisprobleme« hat. Also, hat im vorliegenden Fall ML nicht KI als Ergebnis, sondern lediglich ein LLM bzw. RSM – Buchstabensuppe aus der Großküche, sozusagen, durch einen Satzbaufilter gedrückt, welcher dann auf dem Teller »Intelligenz« vorgaukelt – wenn man sich denn verschaukeln lassen will(!).

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