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Aus: Ausgabe vom 07.02.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Energieversorgung

Teheran setzt auf Atomkraft

Iran startet Bau eines zweiten AKW-Komplexes mit vier Reaktoren. Das Land produziert bisher nicht genug Strom
Von Knut Mellenthin
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Teherans Ziel ist es, bis 2041 eine Kapazität von 20.000 Megawatt aus Atomkraftwerken zu erreichen (Anlage in Arak)

Iran treibt die Erweiterung seiner zivilen Atomindustrie voran. Am Montag wurde in Isfahan im Zentrum des Landes mit einer Zeremonie der Bau eines weiteren »Versuchsreaktors« gestartet. Die Anlage werde eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten haben, heißt es in den Berichten iranischer Medien. Hauptsächlich sollen dort künftig Radioisotopen und Radiopharmaka für medizinische Behandlungen produziert werden.

Schon am Donnerstag voriger Woche hatte der Leiter der Iranischen Atomenergieorganisation (AEOI), Mohammad Eslami, den Baubeginn eines nuklearen Kraftwerkkomplexes mit vier Reaktoren in Sirik an der Meerenge von Hormus im Südosten des Landes angekündigt. Die voraussichtlichen Kosten werden meist mit insgesamt 15 Milliarden US-Dollar, manchmal auch mit 20 Milliarden angegeben. Die AEOI hebt hervor, dass der Bau ausschließlich mit iranischer Finanzierung und Know-how erfolgen soll. Die Anlage soll nach der für 2031/2032 geplanten Inbetriebnahme eine Stromerzeugungskapazität von insgesamt 5.000 Megawatt haben. Das Planziel für das ganze Land ist, bis 2041 eine Kapazität von 20.000 Megawatt aus Atomkraftwerken zu erreichen. Nur wenige Länder produzieren gegenwärtig mehr als 20.000 Megawatt aus Atomkraft: Die USA, China, Frankreich, Russland und Südkorea. Japans Atomkraftwerke besitzen zwar eine Kapazität von rund 31.000 Megawatt, aber die Mehrheit sind seit dem Unfall in Fukuschima (2011) nicht in Betrieb.

Im Iran gibt es bisher nur ein AKW. Es liegt 17 Kilometer von der Stadt Buschehr am Persischen Golf, wurde von russischen Unternehmen gebaut und nach mehrmaligen Verzögerungen, die vermutlich nicht technischen Problemen, sondern US-amerikanischem Druck geschuldet waren, 2011 ans Stromnetz angeschlossen. Die Anlage hat eine Kapazität von 1.000 Megawatt. Russland liefert die Brennstäbe und nimmt sie nach deren Verbrauch zurück, um die Möglichkeit auszuschließen, dass Iran daraus Plutonium zum Waffenbau gewinnen könnte. Zwei weitere Atomkraftwerke sind dort in Kooperation mit Russland in Bau. Die Islamische Republik verbrauchte im vergangenen Jahr rund 72.000 Megawatt Strom – zu wenig für den starken Bedarf. Die Bevölkerung und die Industrie leiden vor allem in den Sommermonaten unter Strommangel und Rationierungsmaßnahmen.

Iran hat während der Amtszeit von Präsident Ebrahim Raisi, die im August 2021 begann, bis zum Dezember 2023 nach Angaben der zuständigen Behörde in Teheran Auslandsinvestitionen mit einem Gesamtwert von 10,608 Milliarden US-Dollar angezogen. Der größte Anteil, 4,8 Milliarden, wurde im Erdöl- und Erdgassektor des Landes überwiegend in fünf größeren Projekten angelegt. Das geht, wie am Dienstag bekannt wurde, aus einem detaillierten Bericht des stellvertretenden Wirtschafts- und Finanzministers Ali Fekri hervor.

Bedeutendster ausländischer Investor war in diesem Zeitraum Russland mit 2,7 Milliarden US-Dollar. Auf den weiteren Spitzenplätzen folgten China, die Vereinigten Arabischen Emirate, im Ausland lebende Iraner, die Türkei, der Irak und Indien. Auffallend ist die Verzehnfachung der chinesischen Direktinvestitionen im Iran innerhalb eines Jahres, von 200 Millionen auf zwei Milliarden US-Dollar.

Raisi war mit dem Versprechen angetreten, durch den Abbau von »Handelsbarrieren« ein günstigeres Klima für ausländische Kapitalgeber zu schaffen. Iran hat, vor allem durch die seit der »Islamischen Revolution« 1979 verhängten Sanktionen westlicher Staaten, einen enormen Investitionsbedarf. Allein für den Erdöl- und Erdgassektor gab der zuständige Minister Dschawad Owdschi diesen im November 2021 für die nächsten Jahre mit rund 160 Milliarden US-Dollar an. Anderenfalls drohe ein Rückgang der Produktion und möglicherweise sogar die Notwendigkeit, fossile Brennstoffe zu importieren.

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