Opposition sieht Putsch
Von Georges HallermayerSenegal ist in Aufruhr. Am Freitag noch hatte Präsident Macky Sall die versammelten Parteichefs seiner Koalition auf den Wahltermin am 25. Februar und seinen ungeliebten Kandidaten Amadou Ba eingeschworen, obwohl das Wort »Wahlverschiebung« da schon längst im Raum stand. Am Tag darauf, kurz vor Start der offiziellen Wahlkampagne, hob er dann den Wahltermin auf: ein Vorgang ohne Beispiel in der Geschichte seines Landes. Als Begründung nutzte er die im Parlament erhobenen Korruptionsvorwürfe der Oppositionspartei von Karim Wade, Sohn des früheren Präsidenten Abdoulaye Wade, gegen zwei Mitglieder des Verfassungsrates. Dies zeige einen institutionellen Konflikt zwischen Nationalversammlung und Verfassungsrat. Am Montag stimmte das Parlament der Verschiebung unter Tumulten zu. In der Hauptstadt Dakar gingen Hunderte Menschen gegen die Entscheidung auf die Straßen.
Das im Parlament eingebrachte Gesetz zum Verschieben der Wahl auf Dezember lässt Macky Sall die Option offen, über den von der Verfassung festgelegten Ablauf seiner Amtszeit am 2. April hinaus bis August zu regieren. Oppositionspolitiker sehen in dem Aufschub einen Verfassungsverstoß und Putsch und vergleichen Macky Sall mit den Militärs, die in anderen westafrikanischen Ländern durch Umsturz an die Macht kamen. Befürchtet wird, dass dieser Verlängerung der Regierungszeit eine weitere hin zu einem dritten Mandat von Sall folgen könnte. Die Nachrichtenagentur Agence Ecofin berichtete, dass die mobile Telekommunikation am Montag in Dakar »provisorisch« unterbrochen gewesen sei. Auch mehrere Politiker, darunter die Präsidentschaftskandidatin Anta Babacar Ngom und die ehemalige Premierministerin Aminata Touré, wurden festgenommen. Der Sender Walf TV wurde »wegen Anstiftung zur Gewalt vorübergehend« abgeschaltet. Dennoch werden im ganzen Land weitere Demonstrationen erwartet.
Schon im Januar war der für die bürgerliche Elite gefährlichste Kandidat der Opposition, Ousmane Sonko, mit Hilfe der Justiz von der Wahl ausgeschlossen und seine Partei PASTEF verboten worden. Und das trotz zweier positiver Gerichtsurteile und Anordnungen der Wahlbehörde CENA, Sonko in die Wahllisten aufzunehmen. Um nun einen polarisierten Wahlkampf zwischen dem neugebildeten Sonko-PASTEF-Nachfolge-Wahlbündnis »Diomaye Président« und Amadou Ba von der Regierungskoalition »Benno Bokk Yakaar« zu verhindern, sollte der Bürgermeister von Dakar, Karim Wade, den Joker spielen. Denn Macky Sall und Karim Wade hatten sich in den letzten Monaten angenähert. Doch ausgerechnet der französische Premier Gabriel Attal bestätigte dann, dass Karim Wade bei Abgabe der Kandidatur noch französischer Staatsbürger war, worauf die Wahlbehörde ihn endgültig von der Wahlliste streichen musste. Letztlich verblieben 20 Kandidaten von 200 auf den Wählerlisten. Als Favorit wurde zunächst der von Macky Sall eingesetzte Premierminister Amadou Ba gehandelt. Allerdings war in den letzten Monaten von mehreren führenden Vertretern der Regierungspartei kräftig an seinem Stuhl gesägt worden.
Auch die Regierungskoalition war schon seit längerem brüchig. So wurde zum einen Amadou Ba als Kandidat angefochten. Zum anderen verabschiedeten sich mehrere politische Schwergewichte aus der Mehrheitskoalition des Präsidenten und kandidieren nun selbst gegen Amadou Ba: der ehemalige Premierminister Mahammed Boun Dionne, Landwirtschaftsminister Aly Ngouille Ndiaye, Energieminister Thierno Alassane Sall, der Generaldirektor der »Caisse de Dépôts et Consignations«, El Hadji Mamadou Diao, und der ehemalige Chef des Zolls, Boubacar Camara.
Einiges deutet jedoch darauf hin, dass der Hauptgrund für die Verschiebung der Wahlen in Unstimmigkeiten zwischen Macky Sall, seinen Beratern und Premierminister Amadou Ba selbst liegt. Es wird von einer »bitteren Rivalität« zwischen den beiden Politikern gesprochen. Wird Amadou Ba nun zurücktreten? Wird für die Wahl ein neuer Favorit aus der Taufe gehoben, oder wird Macky Sall eine dritte Präsidentschaft anstreben? Wie wird sich die außerparlamentarische Opposition entwickeln? Diese Fragen bleiben offen. Sicher ist, dass Senegal schwierigen Zeiten entgegensieht. Dies hält jedoch milliardenschwere Unternehmer wie Aliko Dangote nicht davon ab, mehr als eine Milliarde US-Dollar in den Abbau von Phosphaten zu investieren.
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