4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 06.02.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Sahel

Sahelstaaten gegen Kolonialwährung

Mali, Burkina Faso und Niger erwägen Austritt aus der CFA-Franc-Zone und Einführung eigener Währung
Von Georges Hallermayer
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Obwohl er bei vielen verhasst ist, wird der CFA-Franc noch in 14 afrikanischen Staaten verwendet

Mehr als 60 Jahre sind seit dem Ende der französischen Kolonialherrschaft in Afrika vergangen, doch ihre Spuren sind noch lange nicht verschwunden. Besonders deutlich wird der fortdauernde Einfluss Frankreichs an der letzten noch existierenden Kolonialwährung, dem CFA-Franc. Obwohl er bei vielen verhasst ist und als Symbol der Abhängigkeit von Paris gilt, wird er noch heute in 14 Staaten des Kontinents verwendet.

Mit ihrem Austritt aus der Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS haben Mali, Burkina Faso und Niger in der vergangenen Woche die Diskussion um den CFA-Franc neu entfacht. Mit den Militärputschen 2020 (Mali), 2022 (Burkina Faso) und 2023 (Niger) hatten die drei Länder im Namen des antikolonialen Kampfes Frankreich aus der Sahelzone vertrieben und damit den Westen und die ECOWAS gegen sich aufgebracht. Letztere reagierte mit scharfen Sanktionen gegen die drei Länder, sogar militärische Interventionen wurden erwogen. Im Herbst gaben die drei Staaten dann bekannt, dass sie sich zu einem neuen Bündnis zusammengeschlossen haben, der Alliance des États du Sahel (AES).

Zwar kündigte Malis Präsident ­Assimi Goïta nun nach dem Austritt Malis, Burkina Fasos und Nigers aus der ECOWAS an, sein Land werde in der Währungsunion UEMOA bleiben. Burkina Fasos Militärchef Ibrahim Traoré erklärte aber, er erwäge einen Austritt aus der UEMOA und damit aus der CFA-Franc-Zone. Traoré sagte, dass der Bruch mit der ECOWAS endgültig sei und man sich nun bald mit der Währung auseinandersetzen müsse.

Bereits auf dem ersten AES-Gipfel im November wurde eine Expertenkommission zu diesem Thema eingesetzt. Sie wurde beauftragt, die Einführung einer gemeinsamen Währung zu prüfen. Doch dafür müssten zahlreiche Fragen geklärt werden. Zunächst müsste eine Zentralbank gegründet sowie die Konvertibilität der Währung durch Gold- oder Devisendeckung garantiert werden. Die vereinbarte Geldpolitik müsste sich zwischen festem Wechselkurs oder freier Konvertibilität entscheiden. Auch technische Fragen wie beispielsweise die Herstellung der Banknoten und die Prägung der Münzen wären zu klären.

Die Expertenkommission der AES müsste auch die Risiken gegenüber den ökonomisch zu erwartenden Vorteilen abwägen: Seigniorage (Differenz zwischen den Kosten für die Ausgabe der Währung und ihrem Nennwert), Zinsguthaben aus den Währungsreserven, verbessertes Kreditrating, aktive Wachstumspolitik etc. Natürlich würde der »Schutzschild« der Euro-Bindung des CFA-Franc wegfallen, der bisher eine krasse Inflation sowie Kursschwankungen auf dem Geldmarkt verhindert hat. Ein Austritt aus der UEMOA wäre auch mit höheren Importkosten verbunden. Die CFA-Franc-Zone zu verlassen, um wirtschaftliche Souveränität zu erlangen, sollte also gut überlegt sein.

Der Austritt aus der ECOWAS hat auch bereits zu Turbulenzen auf den Finanzmärkten geführt, und Burkina Faso sah sich jetzt gezwungen, die für den 31. Januar geplante Ausgabe von Staatsanleihen in Höhe von 58 Milliarden US-Dollar auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Investoren waren nur bereit, etwa die Hälfte des Betrags zu zeichnen. Die Ratingagentur Moody’s sieht einen Bumerangeffekt für die westafrikanischen Banken.

Die Unabhängigkeitsbestrebungen bieten den drei Sahelstaaten aber auch große Chancen. Niger wird sein Erdöl bald erstmals in großem Stil auf den Weltmarkt exportieren können. Über eine fast 2.000 Kilometer lange Pipeline sollen demnächst täglich 90.000 Barrel in den Hafen von Sèmè in Benin gepumpt werden. Große Hoffnungen setzt Niger auch auf das Erdöl, das die China National Petroleum Corporation (CNPC) bei Agadem im Osten des Landes fördert. Niamey erhofft sich Einnahmen aus dem Ölexport, die gut ein Viertel der Wirtschaftsleistung ausmachen könnten. Große Hoffnungen setzt Mali auf seine Lithium- und Goldvorkommen. Ähnlich Burkina Faso: Das Land ist Afrikas viertgrößter Goldproduzent und förderte 2022 gut 57,6 Tonnen, was 80 Prozent seiner Exporte und gut 14 Prozent seiner Wirtschaftsleistung ausmachte.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Gottfried W. aus Berlin (6. Februar 2024 um 16:57 Uhr)
    Was gibt es da zu überlegen, wenn CFA und die Euro-Bindung im Sahel fallen können? Der Euro hat Konstruktionsfehler, die ihn nicht attraktiver machen, schmiert global langsam ab und ist in Afrika der Transmissionsriemen der französischen kolonialen Relikte. Für wen also ist er gut? Gaddafi wurde dafür umgebracht, dass er Schritte in Richtung einer afrikanischen Währung machte. Jetzt ist die Zeit gekommen, am Projekt weiterzubauen. Bye Bye colonialism bit by bit.

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