junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Gegründet 1947 Montag, 29. April 2024, Nr. 100
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
junge Welt: Jetzt am Kiosk! junge Welt: Jetzt am Kiosk!
junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Aus: Ausgabe vom 06.02.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Energieversorgung

Bidens LNG-Manöver

US-Präsident stoppt Neugenehmigungen von Flüssigerdgasexporten. Hintergrund dürfte Wahlkampf sein, größere Auswirkungen vorerst nicht zu erwarten
Von Knut Mellenthin
9.jpg
Die USA sind im vergangenen Jahr zum weltweit größten LNG-Exporteur aufgestiegen

Offensichtlich mit Blick auf die Kampagne zur Präsidentenwahl im November hat die US-Regierung eine »zeitweilige Pause« für die Genehmigung neuer Exporte von Flüssigerdgas (LNG) in Länder angeordnet, mit denen die Vereinigten Staaten keine Freihandelsabkommen geschlossen haben. Das schließt Bauprojekte, insbesondere Terminals, ein, die sich noch im frühen Planungsstadium befinden, ohne dass schon Genehmigungen erteilt wurden. Das Bundeswirtschaftsministerium teilte Heise online am Montag nun mit, man »beobachte die Lage genau«.

Deklarierter Zweck des Moratoriums sei es, dem Energieministerium Zeit für die Überprüfung und Neubestimmung der Daten und Analysen zur Auswirkung der LNG-Exporte zu verschaffen, die dem Genehmigungsverfahren zugrunde liegen. In einem erläuternden Papier der US-Regierung heißt es dazu: Die vom Ministerium gegenwärtig verwandten Wirtschafts- und Umweltanalysen seien ungefähr fünf Jahre alt und gäben nicht mehr ausreichend Auskunft über wichtige Faktoren wie etwa mögliche Preissteigerungen für US-amerikanische Verbraucher und Industriebetriebe oder die jüngsten Einschätzungen zur Emission von Treibhausgasen, die mit einer Zunahme des LNG-Exports verbunden wären.

Wie lange die am 26. Januar angeordnete »zeitweilige Pause« dauern soll, ist nicht bekannt. Auf Nachfragen von Journalisten sprach das Energieministerium von »einigen Monaten«, wollte sich aber nicht genauer festlegen. Allgemein wird angenommen, dass das Moratorium auf keinen Fall vor dem Wahltag, dem 5. November, aufgehoben wird.

Im Januar wurde bekannt, dass die USA im vergangenen Jahr der weltweit größte Exporteur von LNG noch vor Australien und Katar – der Nummer 1 im Jahr 2022 – waren. 60 Prozent davon gingen in die Länder der Europäischen Union, die ihrerseits etwa 48 Prozent des von ihnen importierten LNG aus den USA bezogen. Auch wenn es kein EU-Embargo gegen die Einfuhr von russischem Gas, sondern nur eine nicht gerade strenge Preisdeckelregelung gibt, hat der US-amerikanische LNG-Export nach Europa seit Beginn des Krieges in der Ukraine deutlich zugenommen.

Aber für die BRD, die im Februar 2022 noch über kein einziges Terminal zur Wiederverflüssigung verfügte, machte LNG im vergangenen Jahr erst sieben Prozent des Gasimports aus. Entsprechend gering – oder richtig gesagt: gar nicht vorhanden – werden die Wirkungen der jüngsten Biden-Maßnahmen auf den deutschen Markt eingeschätzt. Vereinbarte Importe sind ohnehin nicht betroffen, und die Lager sind gefüllt. Die internationalen Erdgaspreise befinden sich auf dem niedrigsten Stand seit sieben Monaten. Das Angebot liegt, global betrachtet, erheblich über der Nachfrage. Die meisten Experten rechnen damit, dass es zumindest noch in den nächsten Jahren so bleibt. Diese keine Handhabe für Beunruhigung bietende Situation hindert aber Politiker von FDP und CDU/CSU nicht, mit dem Schrei nach Steigerung der deutschen Gasproduktion in der Nordsee – derzeit 5,4 Prozent des Verbrauchs – Lobbyinteressen zu bedienen.

Die Gründe, die die US-Regierung für ihre Genehmigungspause nennt, klingen eindeutig nach Wahlkampf: Vom ersten Tag seiner Amtszeit an betreibe und »liefere« Präsident Joseph Biden »die ambitionierteste Klimaagenda der Geschichte«, die zur Senkung der Energiekosten »für hart arbeitende Amerikaner« führe, »Millionen gut bezahlter Jobs« schaffe, »das Wohl unserer Gemeinden« bewahre und sicherstelle, dass Amerika die Welt in eine »Zukunft der sauberen Energie« führe.

Warnungen kommen hingegen, nicht überraschend, aus der interessierten Wirtschaft. Für das American Petroleum Institut (API), die größte Lobbyinstitution der US-amerikanischen Öl- und Gasindustrie, polemisierte deren Präsident und Generaldirektor Mike Sommers, das Moratorium sei »ein Gewinn für Russland und ein Verlust für Amerikas Verbündete, für die Arbeitsplätze in den USA und für den globalen Klimafortschritt«. Donald Trump, der mutmaßliche Präsidentschaftskandidat der Republikaner, hat angekündigt, dass er im Falle seines Wahlsieges den Genehmigungsstopp sofort aufheben werde.

2 Wochen kostenlos testen

Die Grenzen in Europa wurden bereits 1999 durch militärische Gewalt verschoben. Heute wie damals berichtet die Tageszeitung junge Welt über Aufrüstung und mediales Kriegsgetrommel. Kriegstüchtigkeit wird zur neuen Normalität erklärt. Nicht mit uns!

Informieren Sie sich durch die junge Welt: Testen Sie für zwei Wochen die gedruckte Zeitung. Sie bekommen sie kostenlos in Ihren Briefkasten. Das Angebot endet automatisch und muss nicht abbestellt werden.

Ähnliche:

  • Hauptfeinde Washingtons: Der Chavismus und Maduro, der zumindest...
    02.02.2024

    Caracas erneut im US-Visier

    Venezuela: Nach Ausschluss von Rechtskandidatin setzt Washington Sanktionen wieder in Kraft. Regierung prangert »neokoloniale Einmischung« an
  • Maduro im Konfettiregen: Gedenken an Aufstand gegen Diktator Jim...
    29.01.2024

    Putschpläne vereitelt

    Venezuela: Rechte Verschwörer verhaftet. USA drohen mit erneuter Verschärfung von Sanktionen

Regio:

Mehr aus: Kapital & Arbeit