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Aus: Ausgabe vom 03.02.2024, Seite 6 / Ausland
Indopazifik

Berlin steigt in Japans Militärpakt ein

ACSA-Vereinbarung unterzeichnet: Weiterer Schritt in remilitarisierter Beziehung
Von Igor Kusar, Tokio
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Deutsch–japanisches Händeschütteln und gemeinsame Remilitarisierung. Doch vielerorts ist der »Dreimächtepakt« Deutschland–Japan–Italien von 1940 noch nicht vergessen (Tokio, 8.11.2023)

Deutschland und Japan sind mit ihrem Pakt gegen China wieder einen Schritt weitergekommen: Am Montag schlossen die beiden Staaten in Tokio ein militärisches Abkommen, das gegenseitige logistische Hilfe etwa bei gemeinsamen Manövern ermöglicht. Japans Außenministerin Kamikawa Yoko und Deutschlands Botschafter in Japan, Clemens von Goetze, unterzeichneten ein sogenannte Übernahme- und Cross-Servicing-Abkommen (ACSA). Es erleichtert den Austausch von Lebensmitteln, Treibstoff und Munition zwischen den japanischen »Selbstverteidigungskräften« und der Bundeswehr. Für Tokio ist Deutschland somit der siebte ACSA-Partner nach den USA, Australien, Großbritannien, Kanada, Frankreich und Indien.

Mit diesem Abkommen glauben einmal mehr zwei Staaten aus Europa und Asien, ihre sicherheitspolitische Verbundenheit unter Beweis stellen zu müssen. In Deutschland und anderen westeuropäischen Staaten scheint man der Auffassung zu sein, die Sicherheitsdynamiken im Indopazifik stünden nahtlos in Verbindung mit denen Europas. Die deutsch-japanische Zusammenarbeit hat sich seit 2020 intensiviert und vor zwei Jahren einen kräftigen Schub erlebt, als nacheinander Bundeskanzler, Außenministerin und Präsident nach Tokio pilgerten. Für Olaf Scholz und Annalena Baerbock war Japan die erste Destination in Asien nach Amtsübernahme – ein klarer Wink an die Adresse Beijings. Diese Kommunikation auf höchster Ebene ist denn auch ein hervorstechendes Merkmal der neu aufgestellten Beziehung.

Die militärische Annäherung hatte im November 2021 begonnen, als die deutsche Fregatte »Bayern« in Tokio anlegte, um an gemeinsamen Seemanövern teilzunehmen. Im September 2022 führten beide Staaten zum ersten Mal gemeinsame Übungen im Luftraum durch. Im gleichen Tenor – nur intensiver – soll es in diesem Jahr weitergehen. Missionen dieser Art seien ein »Bekenntnis zur Freiheit der Meere«, meinte Scholz dazu. Und für Japan ist Deutschlands Präsenz in Ostasien – jetzt, wo sich die Deutschen wieder zu einer militärischen Macht gemausert haben – mehr als nur Symbolik. Japans Projekt, eine »Allianz von Gleichgesinnten« gegen China zu schmieden, nimmt immer mehr Fahrt auf.

Doch es ist schon merkwürdig, dass die deutsch-japanische Wiederannäherung und ihre Remilitarisierung kaum zu internationalen Reaktionen führen. Noch vor zehn Jahren hätte diese »Zeitenwende« – nicht zuletzt in den beiden Staaten selbst – für rote Köpfe gesorgt. Die grausame kriegerische Vergangenheit ist vielerorts noch nicht vergessen, wie auch der Dreimächtepakt von 1940 zwischen Deutschland, Japan und Italien. »Warum hat niemand Angst vor der Wiederaufrüstung von Japan und Deutschland?« fragte sich auch der niederländische Publizist und Japankenner Ian Buruma unlängst in einem Bloomberg-Artikel. Buruma sieht die Antwort in den neuen Kräften, die für die Veränderungen verantwortlich sind.

Im Kalten Krieg waren es sowohl in Deutschland als auch in Japan die Falken und die Rechte, die für eine militärische Aufrüstung und Wiederbelebung des patriotischen Geistes eintraten. Heute seien es »weniger besorgniserregende Figuren«, die einer stärkeren Verteidigung das Wort reden: in Deutschland etwa die einst pazifistischen Grünen und in Japan Premierminister Kishida Fumio – ein Gemäßigter. Doch gerade die Tatsache, dass die Idee der militärischen Neubelebung im Mainstream angekommen ist, macht nicht nur Friedensaktivisten in Japan Angst. Der Weg zurück zum alten Nachkriegspazifismus, mit dem sich viele identifizieren, scheint mehr und mehr versperrt.

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