4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
Gegründet 1947 Donnerstag, 2. Mai 2024, Nr. 102
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
4. Mai, Diskussion zu Grundrechten 4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
Aus: Ausgabe vom 03.02.2024, Seite 5 / Inland
Warnstreiks im Nahverkehr

Stillstand für mehr Bewegung

Bundesweite Aktionseinheit von Nahverkehrsbeschäftigten und Klimaschutzbewegung. Warnstreik legt ÖPNV lahm. Ausbau und Finanzierung gefordert
Von David Maiwald
5.jpg
Klimaschutzaktivisten, Gewerkschafter und ÖPNV-Beschäftigte demonstrierten am Freitag auch in Hannover gemeinsam

Mit einem ganztägigen Warnstreik im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) legte die Gewerkschaft Verdi am Freitag große Teile der Bundesrepublik lahm. Die Beschäftigten wurden bei ihrem Arbeitskampf von 60 lokalen Gruppen der Klimaschutzorganisation Fridays for Future unterstützt. Die Aktivisten hatten unter dem Motto »Wir fahren zusammen« gemeinsam mit Verdi eine Petition zur Verdopplung des ÖPNV-Angebots bis zum Jahr 2030 erarbeitet. Der Aktionsaufruf des Bündnisses erklärt den Nahverkehr zum »Herzstück der sozialen und klimafreundlichen Mobilität für alle«.

Die im vergangenen Jahr erprobte fortschrittliche Aktionseinheit von Klimabewegung, Gewerkschaft und Nahverkehrsbeschäftigten konnte sich offenbar festigen. Auch die Klimagerechtigkeitsbewegung »Ende Gelände« hatte zur Unterstützung von Streikposten und Demonstrationen am Freitag aufgerufen. In Weimar seien etwa 200 Streikende von 80 Klimaaktivisten auf einem gemeinsamen Demonstrationszug unterstützt worden, betonte Katja Barthold auf Anfrage der jW. »Wir haben unsere Ziele und Forderungen außerdem breit vermittelt. Es muss vor und am Streiktag mehr spürbar sein als nur ›Es kommt kein Bus‹«, so die Verdi-Thüringen-Gewerkschaftssekretärin mit dem Themenschwerpunkt Arbeitskämpfe.

Denn nach dem Beginn des aktuellen GDL-Arbeitskampfs der Lokführer und den Verdi-Streiks der Luftsicherheitskräfte am Donnerstag waren die ÖPNV-Aktionen innerhalb weniger Wochen der dritte bundesweite Transportarbeiterstreik mit Auswirkungen auf große Teile der Bevölkerung. »Völlig überzogen«, so das erwartbare Urteil von Bernhard Langenbrinck vom Kommunalen Arbeitgeberverband NRW gegenüber der ARD-»Tagesschau«. In 15 Bundesländern will Verdi die Bedingungen der bundesweit rund 90.000 Beschäftigten im Nahverkehr durch den Arbeitskampf insgesamt verbessern. Die Gewichtungen sind dabei regional unterschiedlich.

So verdienen die ÖPNV-Beschäftigten in Sachsen ab März rund 400 Euro mehr als die Kolleginnen und Kollegen in Thüringen. Diese Lücke, auch zu »vergleichbaren Beschäftigten im öffentlichen Dienst, ist nicht akzeptabel«, erklärte Verdi in einer Mitteilung. Viele würden den Beruf wechseln, weil sie dort mehr verdienen oder zumindest entspannter arbeiten könnten, wusste Gewerkschafterin Barthold gegenüber jW zu berichten. »Auch viele junge Kolleginnen und Kollegen sagen uns: ›Ewig bleibe ich hier nicht.‹« Für die Zukunft des ÖPNV – insbesondere für seinen Ausbau – eine fatale Entwicklung.

Neben Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich sowie längeren Ruhe- und Urlaubszeiten für die Beschäftigten brauche es auch »eine andere Finanzierung des ÖPNV mit insgesamt mehr Bundesbeteiligung«, forderte Peter Büddicker am Streiktag im Gespräch mit jW. Für die Bundeswehr sei rasch und unkompliziert ein »Sondervermögen« beschlossen worden, sagte der Landesfachbereichsleiter Verkehr bei Verdi NRW. Die »Schuldenbremse« aber schränke notwendige Investitionen ein und erschwere Verbesserungen. »Weil immer das Argument angeführt wird, wir würden unseren Nachkommen einen Schuldenberg hinterlassen: Wenn es so weitergeht, hinterlassen wir ein heruntergewirtschaftetes Land – das braucht kein Mensch.«

Mit rund einem Drittel der Nahverkehrsbeschäftigten kann gerade aus NRW der Druck aus Betrieben und Bevölkerung für eine soziale Mobilitätswende erhöht werden. Am 1. März will das »Wir fahren zusammen«-Bündnis die deutschlandweit gesammelten Unterschriften an die Bundespolitik übergeben. Die Verkehrsministerkonferenz habe 2019 beschlossen, den Nahverkehr zu stärken, bemerkte Barthold. »Nach fast fünf Jahren müssen wir sie offenbar noch einmal mit Nachdruck daran erinnern.«

Tageszeitung junge Welt am Kiosk

Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. Alle Standorte finden Sie unter diesem Link.

Ähnliche:

  • Zum »Verkehrswendeaktionstag« gingen Gewerkschafter und Klimasch...
    04.03.2023

    Lohnkampf fürs Klima

    Verdi-Ausstand im Nahverkehr und »Globaler Klimastreik«. Bundesweit Zehntausende bei Demos. Kapitalvertreter schäumen
  • Einmarsch der Putschtruppen auf dem Pariser Platz in Berlin mit ...
    30.01.2020

    »Terror demoralisiert«

    Vorabdruck. Der Kampf der Arbeiter gegen den Kapp-Putsch vom März 1920 eröffnete Chancen zu wirklichen gesellschaftlichen Veränderungen. Die SPD-Führung, mit der Mordsoldateska der Freikorps verbunden, hintertrieb das
  • Mitarbeiter der Müllabfuhr demonstrierten am Donnerstag in Köln
    05.02.2010

    Warnstreiks ausgeweitet

    Schwerpunkte im öffentlichen Dienst von NRW und Baden-Württemberg. Auch Flugverkehr beeinträchtigt. Arbeitgeber kündigen Angebot an

Mehr aus: Inland