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Aus: Ausgabe vom 02.02.2024, Seite 8 / Abgeschrieben

Verteidiger im Budapester Verfahren gegen Antifaschisten warnen vor Auslieferung nach Ungarn

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Antifaschistische Streetart zum Budapester Prozess (Rom, 31.1.2024)

Die Verteidiger von Maja T. im Budapester Verfahren gegen Antifaschisten wegen Angriffen auf Neonazis am »Tag der Ehre« warnten am Donnerstag vor einer möglichen Auslieferung T.s nach Ungarn:

In dem Verfahren gegen Menschen, denen eine Beteiligung an Angriffen auf Neonazis in Budapest im Februar 2023 vorgeworfen wird, fand am Montag in Budapest eine erste Verhandlung statt. Eine angeklagte Italienerin und ein angeklagter Deutsche wurden dabei an Händen und Füßen angekettet in den Gerichtssaal geführt. Ihre Fesseln waren mit einem Gürtel verbunden, der wiederum an einer Art Leine befestigt war, die von Gefängniswärtern gehalten wurde. Im Gerichtssaal wurden sie von Vollzugsbeamten einer speziellen Vollzugseinheit bewacht. Die vermummten Männer trugen Tarnkleidung und kugelsichere Westen.

Bereits vorher waren zahlreiche menschenunwürdige Behandlungen in der Haft öffentlich geworden. Carmen Giorgio teilte über mehrere Monate ihre Zelle mit der Italienerin Ilaria S.. Fanpage.it erzählt die Frau aus Mailand über die Bedingungen im Knast: »Ilaria erzählte mir, dass sie dort, besonders am Anfang, sehr schlecht behandelt, angeschrien, ihr Zimmer oft gewechselt und mehr als einen Monat allein gelassen wurde«, berichtet Giorgio. »Da wird man wie ein Tier behandelt. Ich erinnere mich, dass du nichts verlangen konntest, weil die Beamten dich sofort angegriffen haben. Das Gebäude ist sehr alt, schmutzig, die Zimmer waren voller Bettwanzen: Man wachte morgens voller roter Punkte auf. Zuerst mussten sie alle zwei Wochen die Bettwäsche wechseln, dann wurde es ein Monat, dann noch zwei und schließlich machten sie nichts mehr.«

Laut einem Bericht der Menschenrechtsgruppe Ungarisches Helsinki-Komitee berichten Gefängnisinsassen in Ungarn oft über Bettwanzenbefall, Überbelegungen, tiefe Temperaturen, Bewegungsverbot in Zellen sowie schlechtes Essen und unzureichend heißes Wasser. Die Wärter und Wärterinnen sollen zudem »routinemäßig körperliche Nötigung anwenden, wenn sie inhaftierte Angeklagte dem Gericht vorführen«, so die NGO. Die Bedingungen stellen einen Verstoß gegen die Standards des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dar. (…)

Bereits in den letzten Wochen hatte der zuständige Staatsanwalt in einem Parallelverfahren in Italien, Cuno Tarfusser, angesichts menschenunwürdiger Haftbedingungen von Ilaria S. eine Auslieferung des ebenfalls beschuldigten Gabriele M. angezweifelt. Nach den Bildern vom Montag will Tarfusser den Antrag ablehnen. »Ich werde sicherlich nicht Orbáns rechte Hand im Ausland sein. Wenn ein Staat von einer gemeinsamen europäischen Rechtsauffassung abweicht, muss ich das als italienischer Richter berücksichtigen«, zitiert ihn die italienische Zeitung Il Manifesto.

In Deutschland betreibt hingegen die Berliner Generalstaatsanwaltschaft trotz der offensichtlichen Verstöße gegen die Menschenwürde das Auslieferungsverfahren gegen Maja T. weiter.

»Die Auslieferung in ein System, das die Menschenwürde mit Füßen tritt, muss sofort gestoppt werden«, so Majas Rechtsanwalt Sven Richwin. Majas weiterer Verteidiger Rechtsanwalt Maik Elster ergänzt: »Die Ermittlungsergebnisse von menschenunwürdigen Haft- und Prozessbedingungen, die nur darauf gerichtet sind, die Beschuldigten zu brechen und vermeintliche Geständnisse zu erzwingen, dürfen in Deutschland keine Verwendung finden.«

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