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Aus: Ausgabe vom 31.01.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Telecom Italia

Meloni verscherbelt Tafelsilber

Italiens Regierung will steigender Staatsverschuldung mit Privatisierungen beikommen
Von Gerhard Feldbauer
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Um die auf drei Billionen Euro anwachsende Staatsverschuldung einzudämmen, hat die Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni am 25. Januar beschlossen, einen Teil der Staatsbeteiligung an die Poste Italiane zu verkaufen. Mit rund 13.000 Zweigstellen betreibt der Staatskonzern nicht nur den Postversand, sondern auch Versicherungs-, Bank- und Telekommunikationsdienstleistungen. Trotz einer Teilprivatisierung 2014 hat das Unternehmen noch immer eine Monopolstellung inne. Bisher hält das Wirtschaftsministerium 29 Prozent an der italienischen Post, weitere 35 Prozent werden von der Förderbank Cassa Depositi Prestiti (CDP) gehalten, die sich wiederum zu 82 Prozent im Besitz des Ministeriums für Wirtschaft und Finanzen befindet. Die Post werde weiterhin mehrheitlich in staatlicher Hand bleiben, beschwichtigte Wirtschaftsminister Giancarlo Giorgetti gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur ANSA. Der Staat werde »nicht unter 35 Prozent gehen« und so die »Kontrolle behalten«.

Der Verkauf bei der Post ist jedoch nur die Spitze des Eisberges des öffentlich als »Verscherbeln des Tafelsilbers« bezeichneten Privatisierungsprogramms Melonis. Von dem halbstaatlichen Energiegiganten Eni soll eine Vier-Prozent-Beteiligung für circa zwei Milliarden Euro auf den Markt kommen. Die staatlichen Eisenbahnen »Trenitalia« sollen ebenfalls Privatgesellschaftern geöffnet werden. Die sich daraus ergebenden Einnahmen wären jedoch nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.

Deshalb steht im Fokus Melonis ein Filetstück: die Telecom Italia (TIM). Deren Festnetz soll für rund 22 Milliarden Euro an den US-Investor Kohlberg Kravis Roberts (KKR) verkauft werden, der bereits mit zwei Milliarden Euro an der Fiber Cop, der TIM-Breitbandsparte, beteiligt ist. TIM ist das größte italienische Telekommunikationsunternehmen. 2021 umfasste sein Netz rund 30,5 Millionen Mobilfunkanschlüsse, was einen Marktanteil von 28,7 Prozent ausmachte, und 8,6 Millionen Festnetzanschlüsse (Marktanteil 43,2 Prozent), 7,7 Millionen davon waren Breitbandanschlüsse (Marktanteil 41,4 Prozent). Für den Verkauf wird noch die Zustimmung des französischen Medienkonzerns Vivendi benötigt. Der aber stellt sich als größter Anteilseigner quer. Er ist nicht gegen den Verkauf, will aber mehr kassieren. Mit 22 Milliarden Euro werde die Festnetzsparte zu billig abgegeben, sie sei 31 Milliarden Euro wert, machte der Konzern geltend.

Vor allem aber ist das TIM-Glasfasernetz strategisch wichtig, weshalb der italienische Staat die Kontrolle behalten will. Ob dafür eine verbleibende Beteiligung von 15 bis 20 Prozent ausreicht, ist fraglich. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass KKR dafür bekannt ist, Beteiligungen aufzukaufen und nach profitabler Vermarktung wieder abzustoßen.

Mit einer Reduzierung der Staatsschulden um die 20 Milliarden Euro würden zwar Schuldzinsen gespart, prognostizierte die Turiner Zeitung La Stampa Anfang Januar. Doch die Einnahmen durch die Privatisierungen seien kleiner als der Verlust der Dividenden, die die Staatskonzerne bislang in die Staatskasse überwiesen haben.

Ein entschiedenes »Nein zu den Privatisierungen« kommt von der Mitte-links-Opposition. Die Sekretärin des sozialdemokratischen PD, Elena Schlein, und der Vorsitzende der Linkspartei Sinistra Italiana (SI), Nicola Fratoianni, rufen dazu auf, die Kräfte dagegen zu bündeln, um die Schwächsten zu schützen. Die Basisgewerkschaften der USB Telecommunications, FLMU CUB TIM und COBAS TIM haben die Beschäftigten für den 14. Februar zu einem Streik aufgerufen, um gegen den Verkauf der Telecom Italia zu protestieren. Sie warnen, der Verkauf des Unternehmens werde sowohl in beschäftigungspolitischer als auch in industrieller Hinsicht einen großen Schaden verursachen.

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