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Aus: Ausgabe vom 20.11.2023, Seite 14 / Leserbriefe

Aus Leserbriefen an die Redaktion

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Weitere Form des Erinnerns

Zu jW vom 10.11.: »Jüdischer Opfer gedenken«

Hannah Arendt hat auf die Frage, wie man mit dem Gedenken an den 9. November 1938 die Menschen auch erreicht, sinngemäß geantwortet: »Durch neue Formen des Erinnerns!« Das ist der Internationalen Friedensschule Bremen ausgezeichnet gelungen – mit einer szenischen Lesung über die Prozesse der Nachkriegszeit gegen die Brandstifter der ­Aumunder Synagoge. Die anschließende Diskussion machte einem bewusst, wie die Justiz des Bundeslandes Bremen nach 1945 mit Kriegsverbrechen umging. So gehörte der Bremer Großkaufmann Kurt A. Becher zu der Eichmann-Bande, die mit der Qual von Millionen Juden ihre Geschäfte machten. Sein Millionenunternehmen wurde durch die Praktiken Eichmanns geschaffen. Nichts geschah, um den im Eichmann-Prozess belasteten Becher vor Gericht zu stellen. Die Jüdische Gemeinde verhinderte auf der traditionellen Schaffermahlzeit in Bremen eine Deutschland-Rede von Becher. Der damalige Bürgermeister Wilhelm Kaisen scheute sich nicht, mit dem schwer belasteten Bundesminister Theodor Oberländer auf dem Domshof eine gemeinsame Kundgebung abzuhalten. Die Sonderrichter, die den 16jährigen Walerjan Wróbel zum Tode verurteilt hatten, machten in Bremen eine glänzende Karriere als Oberlandesgerichtsräte, leitende Staatsanwälte oder als Politiker.

Ein Vorschlag wäre, dass wir am 9. November 2024 alle Stolpersteine in Bremen-Nord reinigen, Schulklassen einbeziehen und Menschen fragen, einen Stolperstein vor ihrer Wohnung zu putzen.

Gerd-Rolf Rosenberger, Bremen

Überwachungsstaat

Zu jW vom 10.11.: »Gesinnungsprüfung am Schultor«

Ach, was haben sie nicht gewettert über die DDR, ich sag nur Überwachungsstaat, Spitzelstaat oder Stasistaat, und was ist nun? Auch in der BRD wird geschaut, ob alles nach dem Richtigen läuft, und im Zeitalter der Computertechnik haben sie Möglichkeiten, von denen die Stasi damals nur träumen konnte. Aber ein aktueller Höhepunkt in diesem Staat ist es, wenn Lehrer »Gesinnungspolizei« spielen sollen, nützliche Informationen für den Staatsschutz sammeln, das sollte jedem zu denken geben. Es wird die Zeit wieder kommen für Berufsverbote bei Personen, die nicht in das Rädchen des Systems passen! Willkommen im Überwachungsstaat.

René Osselmann, Magdeburg

Apathie

Zu jW vom 11./12.11.: »Streik für den Frieden«

»Hafenarbeiter in Genua blockieren Waffenlieferungen nach Israel.« – Wann können die internationalen Agenturen endlich ähnliches aus Deutschland berichten? Dem Land, in dem Millionen dem Karnevalsbeginn beiwohnen, Hunderttausende wöchentlich zum Fußball pilgern und Friedensbekundungen mit tausend Teilnehmern schon als gut besucht gelten. Mit einem Volk, dem empfohlen wird, kriegsbegeisterter zu werden und das immer noch weitgehend auf dem Sofa sitzt. Als wäre Krieg nur ein fernes Spiel, das einen selbst nichts angeht. Kriege aber haben die unangenehme Eigenschaft, auch dorthin zurückzukehren, woher sie kamen. Also auch in die Schmieden, in denen jene Waffen gefertigt werden, die heute scheinbar nur in der Ferne töten. Und trotzdem unser aller Leben bedrohen.

Joachim Seider, Berlin

»Marsch gen Osten«

Zu jW vom 10.11.: »Kriegstüchtigkeitstag«

Die Mehrheit der Deutschen ist für Pistorius’ Kriegstüchtigkeit. T-Online hat beim Meinungsforschungsinstituts Civey eine Umfrage in Auftrag gegeben und berichtete darüber. Es tut sich noch etwas schwer, aber es kommt in die Gänge: Marsch, Marsch gen Osten! Bei den vergangenen beiden Weltkriegen ging es bedeutend schneller mit Hurra und Blümchen im Lauf an die Front gegen die »Untermenschen« im Osten.

»Wir haben jahrhundertelang gesehen, dass nichts Gutes aus dem Osten kommt«, sekundierte Estlands Außenminister Margus Tsahkna laut Münchner Merkur vom Dienstag, dem 14. November 2023. Da werden sich im Osten einige verwundert angucken und fragen, aus welcher Richtung allein zwei Weltkriege gen Osten zogen. Auch Geschichte kann eben erfunden und korrigiert werden. Der Kriegstüchtigkeit kann es nur dienen.

Machen wir uns nichts vor, geben wir uns keinen Illusionen hin, sehen wir es realistisch: Die Kriegsbesessenen sind wieder am Zuge, niemand weiß, wer sie aufhalten soll, und die meisten scheinen sich bereits wieder vor ihnen zu verbeugen oder eben wie immer zu schweigen. (…)

Roland Winkler, Aue

Mobilmachung

Zu jW vom 11./12.11.: »Nur der erste Schritt«

Nie wieder Stalingrad! Pistorius will Deutschland »kriegstüchtig« machen; ja, was denn sonst? Doch nicht etwa »friedenstüchtig«? Offenbar stimmen wohl über 60 Prozent der Befragten dieser Aussage zu. Aber was genau meint dieser Rüstungsspezialist damit eigentlich? Wir können daraus ein Ratespiel machen. Zuvor sollten wir abgrenzen, was er damit wohl (noch) nicht meint: eine Mobilmachung wie zu Kaisers und Führers Zeiten. Gut.

Es wird wohl wärmer bei der Vermutung, dass die Bevölkerung sich vermehrt auf Kriege vom deutschen Boden aus einstellen, aber dabei die »Heimatfront« nicht auslassen sollte, damit nicht auch noch die »Dolchstoßlegende« 2.0 daraus wird. Für die Jüngeren unter uns: die deutsche Armee ist nämlich im Ersten Weltkrieg »im Felde unbesiegt« geblieben, allein die Menschen im Hinterland waren nicht kriegstüchtig genug bei der Unterstützung der ruhmreichen deutschen Armee.

(…) Noch mal für die Jüngeren: Mit der Losung »Nie wieder Auschwitz!« hat ein grüner Außenminister einem völkerrechtlich verbotenen Krieg (1991–2001) auf dem Balkan mit Bomben und Raketen zugestimmt, und damit die Schlächtereien vom deutschen Boden wieder salonfähig gemacht. (…)

Manfred Pohlmann, Hamburg

Auch Geschichte kann eben erfunden und korrigiert werden. Der Kriegstüchtigkeit kann es nur dienen.

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Die junge Welt ist oft provokant, inhaltlich klar und immer ehrlich. Als einzige marxistische Tageszeitung Deutschlands beschäftigt sie sich mit den großen und drängendsten Fragen unserer Zeit: Wieso wird wieder aufgerüstet? Wer führt Krieg gegen wen? Wessen Interessen vertritt der Staat? Und wem nützen die aktuellen Herrschaftsverhältnisse? Kurz: Wem gehört die Welt? In Zeiten wie diesen, in denen sich der Meinungskorridor in der BRD immer weiter schließt, ist die junge Welt unersetzlich.

  • Leserbrief von Ronald Prang aus Berlin (19. November 2023 um 20:54 Uhr)
    Danke Herr Pohlmann, besser kann man das nicht schreiben. Ich habe es fast schon aufgegeben, meine Ansichten in Worte zufassen, und dann lese ich 2 Leserbriefe, die zeitgleich meine Ansicht formulieren. Hätte mich fast motiviert wieder meine Meinung in Worte zufassen, aber was hilft schon der Beifall einer Minderheit, wenn die Mehrheit es nicht hören will.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (20. November 2023 um 14:37 Uhr)
      Nicht mutlos werden! Mir tut es gut zu lesen, was Sie schreiben. Und wenn Sie auch nur einen einzigen Anderen erreichen, dann ist das allemal besser, als die Hände in den Schoß zu legen. Die Welt gehört den Mutigen, nicht den Unmutigen. Nicht immer und nicht immer sofort. Aber die Tendenz stimmt schon.