Sie pflanzt sich fort: Maus im Haus
Von Marc Hieronimus
Eigentlich ist die Maus auf Getreide ausgerichtet, tatsächlich verspeist sie Käse, Speck, Schokolade, alles Essbare, und wenn sie irgendwo festsitzt, (zer)frisst sie darüber hinaus auch Kleider, Kabel, Holz oder Dämmstoff. Denn die Hausmaus ist kein Haustier. Anders als die domestizierten, häufig andersfarbigen Artgenossen, die zu Millionen als Futter und Wegwerfinstrumente verbraucht werden, neigt sie in Gefangenschaft zu Hospitalismus und Infantizid. In der relativen Freiheit der Menschennähe jenseits der Gitterstäbe aber erweist sie sich als hochgradig soziales Wesen.
Als Nahrungskonkurrent wurde die Maus dem Menschen lästig, als er begann, sesshaft zu werden und Getreide zu speichern. Die Ägypter etwa verteufelten sie zwar nicht, verehrten aber die Katze, weil sie die Kornspeicher vor ihr schützte. Doch nicht der Stubentiger ist der ärgste Mäusefeind, sondern der Mensch mit seinen Fallen und Giften. Die agrochemische Industrie hat ausgerechnet, dass Mäuse und Ratten, wenn man auf Gift verzichtete, in Deutschland jährlich einen Schaden anrichten würden, von dem man in Südafrika zwei Fußballstadien bauen könnte (www.iva.de). Das schräge Bild von den nicht lebensnotwendigen und so oder so ungebauten Jubelarenen verrät das industrielle Kalkül und verschweigt das Elend und die Gefahr: Zwar ist man in der Nagerausrottung von den kollateralschädlichsten Giften wie Arsen oder Strychnin heute mehrheitlich zu Gerinnungshemmern übergegangen, aber auch die bedeuten für Millionen Mäuse und zahlreiche Katzen und Hunde ein tagelanges Verrecken an inneren Blutungen.
Was tut die Maus dagegen? Was sie immer tat, sie pflanzt sich fort. Ein Mäuseweibchen wirft bis zu achtmal im Jahr drei bis acht Junge, deren Lebenserwartung (gemessen wohl ab dem fruchtbaren Alter) die Forscher mit zwei bis drei Jahren beziffern, wobei einzelne Mäuse auch doppelt so alt werden können. So wird die Maus überleben, uns überleben, und das ahnen auch und gerade ihre wütendsten Vergifter.
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