Auf die Abnehmspritze!
Von Alexander Reich
Zwei Bundesminister beehrten am Freitag den US-Pharmariesen Eli Lilly (EL). Anlass war die Bekanntgabe eines »weitreichenden Investitionsvorhabens«. Der Konzern will in Alzey, Rheinland-Pfalz, ein neues Werk errichten. Für 2,3 Milliarden Euro.
»Die Abgesänge auf den Pharmastandort Deutschland sind falsch«, sagte der eine Minister, Karl Lauterbach (Gesundheit, SPD). »Ich danke Eli Lilly für das Vertrauen in den Standort Deutschland«, sagte der andere, Robert Habeck (Wirtschaft und Klima, Grüne). »Es ist ein großes Ausrufezeichen, das hier gesetzt wird.«
Die Investition soll ohne direkte Subventionen getätigt werden, anders als bei den Chipfabriken in Ostdeutschland. Habeck erklärte am Freitag den Unterschied: »Bei Halbleitern oder in der Batterieproduktion haben wir nichts bis wenig.« Das sieht bei Biotechnologie schon etwas anders aus. Da haben »wir« Biontech im 30 Kilometer entfernten Mainz und »unsere« BASF in Ludwigshafen, natürlich Bayer und, und, und.
Die Grundsteinlegung auf dem Acker am Industriegebiet in Alzey erfolgt im Zeichen der Abnehmspritze. Ein Wachstumsmarkt, es tobt der Kampf um Anteile. Der dänische Hersteller Novo Nordisk (NN) ist mit seinen Wegovy-Spritzen zum wertvollsten westeuropäischen Unternehmen vor Nestlé (CH) und dem Luxuskonzern LVMH (F) aufgestiegen. Und Goldman Sachs hält eine Versechzehnfachung der Umsätze mit solch hormonbasierten Präparaten bis 2030 für möglich, von aktuell rund sechs Milliarden auf 100 Milliarden US-Dollar. Da will auch der deutsche Hersteller Boehringer in Ingelheim mitmischen. Dessen Wirkstoff Survodutid wird in Phase-III-Zulassungsstudien erprobt, aber NN und EL haben die Nase vorn.
EL ist mit einem Marktwert von rund 560 Milliarden Dollar der wertvollste börsennotierte Gesundheitskonzern der Welt. Sein Konkurrenzprodukt zu Wegovy heißt Zepbound. Der Wirkstoff Tirzepatid ist in den USA und der EU bereits für Diabetes-Typ-2-Medikamente zugelassen. In den USA auch schon für Lifestyleprodukte, die nicht nur Über- und Normalgewichtige überzeugen.
Ob Krankenkassen solche Mittel erstatten sollten, wurde Lauterbach am Freitag gefragt: »Damit beschäftigen wir uns derzeit nicht im BMG«, versicherte der, und erklärte das für unnötig. »Ich bin mir sicher, dass sich diese Produkte ihren Markt suchen werden.« Auch Olaf Scholz hat die Lobby auf ihrer Seite. Auf einem »Pharmagipfel« will der Bundeskanzler noch in diesem Jahr ein großzügiges Forschungsgesetz vorstellen, das etwa die Verwendung von Patientendaten erleichtern soll.
Immer noch kein Abo?
Die junge Welt ist oft provokant, inhaltlich klar und immer ehrlich. Als einzige marxistische Tageszeitung Deutschlands beschäftigt sie sich mit den großen und drängendsten Fragen unserer Zeit: Wieso wird wieder aufgerüstet? Wer führt Krieg gegen wen? Wessen Interessen vertritt der Staat? Und wem nützen die aktuellen Herrschaftsverhältnisse? Kurz: Wem gehört die Welt? In Zeiten wie diesen, in denen sich der Meinungskorridor in der BRD immer weiter schließt, ist die junge Welt unersetzlich.
-
Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (19. November 2023 um 21:09 Uhr)Es gibt doch genügend ProbantInnen mit reichlich Diäten für die Diät, da müssen die Flichtkassen nicht blechen.
-
Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (19. November 2023 um 21:03 Uhr)Einer derart kranken Gesellschaft helfen weder Spritzen noch Pillen. Die ist und bleibt, im wahrsten Sinne des Wortes, »des Wahnsinns fette Beute«.
Ähnliche:
- Johannes Eisele dpa/lbn11.02.2022
Tariffreie Zone, aber Lob vom Chef
- Andreas Gebert/Reuters17.03.2020
Buhlen um Coronaimpfstoff
- Jochen Lübke/dpa-Bildfunk08.09.2016
Toxische Verbindung
Regio:
Mehr aus: Kapital & Arbeit
-
Happyend in Hollywood
vom 20.11.2023