Rosa-Luxemburg-Konferenz am 13.01.2024
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Aus: Ausgabe vom 20.11.2023, Seite 8 / Ansichten

Weltfremd

Linke-Parteitag zu EU-Wahl
Von Arnold Schölzel
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Im Linke-Programm zur EU-Wahl wird das imperialistische Konstrukt Europäische Union so charakterisiert: »Während Regierungen und große Unternehmen die Wirtschaftsunion forciert haben, blieb die Entwicklung einer Sozialunion meilenweit dahinter zurück.« Weiter weg von der Realität zu formulieren ist nicht einfach. Die EU wurde gegründet, um Schranken für Kapital und Waren zu beseitigen und dafür, die Sozialstandards nach unten anzugleichen. Reisefreiheit gilt inzwischen oft als lästig. In diesem Gebilde machten sich vor allem deutsche Finanz- und Industriekonzerne für den Weltmarkt konkurrenzfähig, setzten mit Hilfe von SPD und Bündnis 90/Die Grünen »Armut per Gesetz«, wie die damalige PDS noch wusste, und Dumpinglöhne durch. Anschließend rühmte sich Gerhard Schröder, den »größten Niedriglohnsektor in Europa« eingerichtet zu haben. 2023 läuft das anders: Dax-Unternehmen melden Rekordgewinne, die von der Regierung eingeführte Inflation steigert die Armut.

Sogenannte Verteilungsgerechtigkeit spielte in Reden auf dem Augsburger Parteitag der Linkspartei eine große Rolle, öfter war die Rede von »Klassenperspektive«. Gemeint war offenbar, was der Kovorsitzende Martin Schirdewan mehrfach ausrief: »Wir legen uns mit den Reichen und Mächtigen an.« Die können, lässt sich nicht nur wegen des irrealen Wahlprogramms sagen, ruhiger schlafen denn je – falls sie diese Partei je wahrgenommen haben. Nötig war das nur für kurze Zeit, als Die Linke in der Art einer linken Sozialdemokratie gegen Hartz IV und imperialistischen Krieg auftrat. Es war die erfolgreichste Zeit – sie erhielt 2009 an die fünf Millionen Wählerstimmen. Die vorwiegend ostdeutschen Funktionäre, die diesen Kurs bekämpften, haben vor langer Zeit die Oberhand gewonnen und den Parteiruin herbeigeführt.

Die Vermeidung der Ursachenanalyse von Wahlniederlagen ist durch sie zu einem der wichtigsten Merkmale der Linkspartei geworden. Deren Spitzenpersonal ruht unabhängig davon, ob zum Beispiel eine Linke-Fraktion in Hessen nach 15 Jahren aus dem Landtag fliegt, in seinen Amtssesseln. In der Partei Die Linke bestimmt Funktionärsfeudalismus die Pöstchenvergabe. Das blieb auch in Augsburg so. Dafür sorgte erneut die Zusammensetzung der Delegierten: Es sind mehrheitlich seit Jahrzehnten Mandatsträger und Beschäftigte der Partei.

In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zitierte Oskar ­Lafontaine zustimmend ein Schweizer Blatt, das »weltfremde Politik« für den Parteiniedergang verantwortlich machte. Ein weiteres Beispiel aus dem EU-Wahlprogramm illustriert das: »Daher stellen wir uns sowohl gegen die Befürworter*innen einer marktradikalen EU als auch gegen das nationalistische Konzept eines ›Europas der Vaterländer‹«. Der Dank der Konzerne, falls das dort zur Kenntnis genommen wird, für Ablenkung von Krieg und Krise ist sicher.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Peter S. (20. November 2023 um 21:39 Uhr)
    »Die vorwiegend ostdeutschen Funktionäre, die diesen Kurs bekämpften, haben vor langer Zeit die Oberhand gewonnen und den Parteiruin herbeigeführt.« Hm, ich habe noch keine Zählung bzw. Namensliste gesehen. Eine gründliche Analyse war seit längerem überfällig, wäre schon nötig gewesen, um Spreu vom Weizen zu trennen und Unterwanderung zu erkennen und zu bekämpfen. Es tut mir immer noch weh, jetzt konstatieren zu müssen, dass es zu spät zu sein scheint. Sara Wagenknecht und ihr Kreis dürften deutlich eher zu dieser Erkenntnis gekommen sein, ein ganz klarer Entscheidungspunkt für die Trennung. Und zu den ostdeutschen Funktionären: Katina Schubert als ehemalige Berliner Landesvorsitzende und aktuelle Parteitagsvorsitzende: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Katina_Schubert hat aktiv zur Beerdigung linker Leuchtturmprojekte in der rot-rot-grünen Koalition beigetragen. Ich kann leider selbst nicht sagen, wie U-Boote genau aussehen. Und den Ausdruck Funktionärsfeudalismus finde ich zwar sehr passend, aber er war und ist nicht nur auf ostdeutsche Parteikader anwendbar. Im Gegenteil. Was ich als besonders folgenreich einschätze: offenbar gab es auf dem Parteitag keinerlei über Lippenbekenntnisse hinausgehende ernsthafte Versuche, mit anderen linken Strömungen zu kooperieren. Sektierertum nannte man das früher. Heute ist es wohl eher Kampf um Fleischtöpfe.
  • Leserbrief von E. Rasmus (20. November 2023 um 13:43 Uhr)
    »Als Die Linke in der Art einer linken Sozialdemokratie gegen Hartz IV und imperialistischen Krieg auftrat (…) war die erfolgreichste Zeit – sie erhielt 2009 an die fünf Millionen Wählerstimmen. Die vorwiegend ostdeutschen Funktionäre, die diesen Kurs bekämpften, haben vor langer Zeit die Oberhand gewonnen und den Parteiruin herbeigeführt.« Diese Feststellung von Arnold Schölzel lässt aufhorchen. In der Tat, von Weltfremdheit gekennzeichnet sind jene, die im Reformismus gefangen, die Partei unterwandert und nie den Klassenkampf in seiner Radikalität aus der alten BRD erfahren haben. Dennoch, hier wäre eine gründliche Analyse sehr vonnöten und bestünde diesbezüglich ein grundsätzliches Angebot für die Kommunistische Plattform. Wobei die Frage steht, was sie angesichts des Diktats des Parteivorstandes und seiner Vasallen, noch in diesem Verein sucht, anstatt sich um die Klärung der Ausrichtung der neu zu schaffenden linken Partei um Wagenknecht aktiv und organisatorisch zu bemühen. Andererseits verlangte das Attribut »kommunistisch« die Konsequenz, den beiden vorhandenen kommunistischen Parteien beizutreten, mit dem Anspruch, diese aufeinander zuzubewegen.
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (19. November 2023 um 22:21 Uhr)
    Die Linkspartei erleidet einen Zerfall, der auf eine unrealistische Analyse der EU, fehlende Ursachenreflexion nach Wahlniederlagen und einen von ostdeutschen Funktionären dominierten Funktionärsfeudalismus zurückzuführen ist. Die Partei hat sich von erfolgreichen Positionen, wie dem Kampf gegen Hartz IV und imperialistischen Kriegen, entfernt und statt dessen eine weltfremde Politik verfolgt. Die Führung der Linkspartei hat es versäumt, sich wirksam gegen marktradikale EU-Befürworter und nationalistische Konzepte zu positionieren, was zu einem schwindenden Rückhalt führt. Der Zerfall wird weiter durch eine stagnierende Pöstchenvergabe und mangelnde Erneuerung in der Partei verstärkt.
  • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (19. November 2023 um 20:43 Uhr)
    Und solch ein völlig geschichtsvergessener und die soziale Wirklichkeit in diesem Lande permanent ignorierender Haufen opportunistischer Egomanen nennt sich auch noch »links«. Einfach unfassbar!
  • Leserbrief von Ronald Prang aus Berlin (19. November 2023 um 20:35 Uhr)
    Eine bessere Analyse über den Zustand Der Linken habe ich noch nicht gelesen. Die Kritik geht weit über das hinaus, was wohlmeinende Kritiker, mich eingeschlossen, bisher über diese Partei geschrieben haben. Was mich dabei jedoch beunruhigt, ist der Zustand, dass sie die einzige linke Kraft im DBT war. Ich zweifle daran, dass noch zu meinen Lebzeiten eine linke Partei irgendeine Chance hat, diese Lücke auszufüllen. Am Ende bleibt die Frage, hatte Stalin tatsächlich Recht mit seiner Meinung, der Weg zum Sozialismus führe nur über den Untergang des Kapitalismus, durch die Zerschlagung des Faschismus zum Ziel. Wenn dem so wäre, ist der Weg vorgezeichnet, Faschismus ist in Italien schon salonfähig. Wie lange dauert es noch, bis die AfD auch in Deutschland »regierungsfähig« ist? Nur am Ende des nächsten imperialistischen Weltkrieges werden wohl keine Menschen mehr da sein, die ihn aufbauen könnten. Bin ich ein Pessimist oder ein Realist? Was soll’s, ich werde es in keinem Fall erleben.

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