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Aus: Ausgabe vom 20.11.2023, Seite 7 / Ausland
Maghreb

Antikoloniale Kraft

Algerien: Präsident ernennt neuen Premierminister. Sozial- und Außenpolitik im Vordergrund
Von Sabine Kebir
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Die antikoloniale Tradition des Landes lebt: Kundgebung für Palästina in Algier (19.10.2023)

Sieht man vom Bürgerkrieg der neunziger Jahre ab, in dem sich Algerien einer von Westen unterstützten islamistischen Machtergreifung erwehren musste, gehört das Land mittlerweile zu den glücklicheren arabischen Staaten. Es wird nicht sanktioniert und sitzt in keiner Schuldenfalle – dank der seit Jahren ziemlich profitablen Rendite aus Erdgas- und Erdölexporten. Wie auch in anderen rohstoffreichen Staaten hat sich hier jedoch eine Verwaltung entwickelt, die sich wegen der gesicherten Finanzbasis als außerordentlich träge und bürokratisch erweist. Das ist wohl der Grund, weshalb Minister und auch Regierungschefs vergleichsweise oft ausgewechselt werden.

Am 11. November entließ Präsident Abdelmadjid Tebboune den Ministerpräsidenten Aïmene Benabderrahmane, weil wichtige Strukturprojekte nicht schnell genug vorankamen und mangelnde Koordination zwischen den Ministerien zu einem unübersichtlichen Haushaltsbudget geführt hatte. Ersetzt wurde Benabderrahmane durch Nadir Larbaoui, der Berufserfahrung als Anwalt, Diplomat und Sportler hat – als ehemaliges Mitglied der Handballnationalmannschaft. Seine letzte, offenbar zufriedenstellend erfüllte Funktion war die des Büroleiters des Präsidenten. Larbaoui soll Dampf machen beim in Kooperation mit China vereinbarten Bau neuer Eisenbahnlinien, im Bildungs- und Weiterbildungssektor, bei der Digitalisierung, der Unterstützung von Startups junger Menschen und Kleinstunternehmen. Wegen der in ganz Nordafrika immer prekärer werdenden Situation der Wasserreserven dringt der Präsident auf die Sicherung der Trinkwasserversorgung großer Städte in den Steppen- und Wüstengebieten und auf Kapazitätssteigerungen bei der Reinigung und Wiederverwertung von Brauchwasser. Allerdings, so der Präsident, sollen den Bürgern auch nicht voreilig unerfüllbare Versprechungen gemacht werden. Unbedingt sei die Unterstützung des Staates »für die prekären und Mittelklassen« im Auge zu behalten. »Die Erhaltung der Kaufkraft und die Fortführung aller Wohnungsbauprogramme« haben »Priorität, um die Würde der Bürger zu wahren und ihr Leben zu erleichtern«.

Larbaouis Ernennung zum Regierungschef mag mit seiner letzten diplomatischen Funktion zusammenhängen. Er war 2021 bis zu seiner Berufung ins Büro des Präsidenten permanenter Repräsentant Algeriens bei der UNO in New York und verfügt damit über wertvolle Erfahrungen auf dem internationalen diplomatischen Parkett. Wenn Algerien 2024 bis 2025 Beisitzer im Sicherheitsrat wird, kann er dort als bereits bekanntes Gesicht die wichtigsten Forderungen seines Landes vorbringen. Algerien hat eine lange Erfolgsbilanz bei der Mediation von Friedensverhandlungen in Afrika und ist der bedeutendste Unterstützer der von der UNO geforderten Unabhängigkeit der völkerrechtswidrig von Marokko annektierten Westsahara.

Algier wird im Sicherheitsrat auch eine gewichtige Rolle in den Diskussionen und Verhandlungen zum Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern spielen. Algerische Zeitungen bezeichnen die Hamas-Kämpfer als »Kombattanten« und sehen die Gefahr einer Rekolonisierung Gazas durch Israel. Das vom ebenfalls UN-erfahrenen Ahmed Attaf geleitete Außenministerium macht das höchste UN-Gremium dafür verantwortlich, dass »alle internationalen Regeln, die humanitären, menschlichen Werte zum Schutz von Zivilisten« bei der israelischen Invasion Gazas missachtet werden und bislang kein Waffenstillstand erzwungen werden konnte. Auf der Konferenz der arabischen Staaten zum jüngsten Nahostkonflikt am 11. November in Saudi-Arabien gehörte Algerien zu den Staaten, die nicht nur eine scharfe Verurteilung Israels, sondern Sanktionen und Blockaden forderten. Das wurde von den Ländern, die im Rahmen der sogenannten Abraham-Verträge ihre Beziehungen zu Israel normalisiert haben, abgelehnt; nur Bahrain zog seinen Botschafter aus Tel Aviv ab. Algerien will zudem gemeinsam mit weiteren Ländern Israel vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag bringen. Dieser bestätigte am Freitag auf seiner Webseite, dass er Ermittlungen aufgenommen habe.

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