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Aus: Ausgabe vom 20.11.2023, Seite 5 / Inland
Staatsfinanzen

Streit um Schuldenbremse

Sachverständige gegen neue »Notfallregelung« nach Urteil des Verfassungsgerichts
Von Klaus Fischer
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Sachverständigenrat mit Monika Grimm (2. v. r.) stellt in Berlin am 8. November Jahresgutachten vor

Angesichts des einschneidenden Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Bundeshaushalt vom Mittwoch vergangener Woche fordert das Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (»Wirtschaftsweise«), Veronika Grimm, eine Einhaltung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse. Deren u. a. von SPD-Chefin Saskia Esken geforderte erneute Aussetzung per Notfallregel (wie schon während der Coronakrise) erfordere laut Grimm auch eine Notlage. Dafür sei mit dem Hinweis auf den Klimaschutz jedoch »schwer zu argumentieren«, sagte die Ökonomin den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Sonntagsausgaben). Klimaschutz sei »eine langfristige Transformationsaufgabe, die Jahrzehnte andauert«. Wie Esken hatte auch die Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner, gegenüber Bild am Sonntag (Bams) hingegen eine Aussetzung der Schuldenbremse als Reaktion auf den Spruch der Verfassungsrichter gefordert.

Grimm begründete ihr Nein mit der Gefahr einer übermäßigen Verschuldung des Staates: »Hier muss man finanzpolitisch nachhaltig agieren, sonst erleben wir in Europa Staatsschuldenkrisen, lange bevor das Klima gerettet ist.« Statt einer Aussetzung der Schuldenbremse rief die Sachverständige die Bundesregierung dazu auf, Subventionen zu kürzen. »Haushalte, die es sich leisten können, müssen nicht subventioniert werden, um ihr Heizungssystem auszutauschen«, erklärte Grimm.

Zwar sollten energieintensive Unternehmen dabei unterstützt werden, die Transformation zur Klimaneutralität anzugehen. »Aber mit Entlastungsmaßnahmen den Strukturwandel aufzuhalten, das sollten wir uns sparen.« Auf keinen Fall solle die Bundesregierung jedoch die Abschaffung der Umlage zum Erneuerbare-Energien-Gesetz und die Reduktion der Stromsteuer auf das europäische Minimum rückgängig machen. Das Karlsruher Urteil bedeute einen »drastischen Einschnitt und hoffentlich einen Wendepunkt«, so die Ökonomin weiter. Die Klimapolitik müsse neu justiert werden.

Mit dem Nachtragsgesetz waren 60 Milliarden Euro an Kreditermächtigungen, die ursprünglich zur Bewältigung der Folgen der Coronamaßnahmen gedacht waren, rückwirkend in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) verschoben worden. Das Bundesverfassungsgesetz wertete das als Verstoß gegen die im Grundgesetz verankerte Ausnahmeregelung zur Schuldenbremse.

Benner sagte der Bams, angesichts des Urteils könne die Schuldenbremse »so nicht weiter bestehen«. Sie sei »eine echte Zukunftsbremse«. Deutschland brauche »dringend Investitionen, und zwar nicht nur in die Industrie, sondern auch in unsere Infrastruktur«.

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  • Leserbrief von Roland Winkler aus Aue (22. November 2023 um 11:59 Uhr)
    Das Angstszenario läuft wieder einmal ab. Es heißt Schulden und ist gar nicht so neu. Ein beliebtes Mittel, die Bevölkerung willig und spar- wie verzichtsbereit zu machen. Umfragen auf der Straße machen die Dummheit und Ahnungslosigkeit zum Schuldenthema deutlich. Der BürgerIn meint, soll es auch bei diesem Irrtum bleiben, Staatsschulden seien vergleichbar mit privaten eignen Schulden.
    Daran erklärt sich alle Reaktion der Straße, die Sparen für richtig und notwendig halten, ggf. mit eigenem Verzicht, Sozialabbau usw. Natürlich erwartet denn auch jede und jeder, es werde bei den anderen eingespart, möglichst bei den Ärmsten, den sogenannten Sozialschmarotzern, Ausländern, Migranten, Bürgergeldempfängern usw. Mit Menschenrechten und Solidarität ist schnell Schluss, und jeder versteht es. Es stellt keiner die berechtigte Frage, wessen Schulden sind Staatsschulden?
    Woher nimmt der Staat das Geld, was er ausgibt? Wessen Geld gibt er aus und wofür? Wer dem auf die Spur kommt, merkt schnell, wie Staat mit Geld der Steuerzahler umgeht. Er wird auch merken, wo Schulden sind, sind auch Profiteure an den Schulden. Banken oder gerade die größten Profiteure sind Rüstung und Krieg. Daran zu sparen, fällt Regierenden nicht ein. Warum nicht? Wann haben Kriege schon einmal für die Völker Frieden und Wohlstand gesichert? Von den 100 Milliarden für Krieg ist keine Rede. Es ist auch keine Rede von Milliarden, mit denen Konzerne und sogenannte Unternehmer gefördert, gesponsert, Staatsgelder erhalten, damit ihre Profite gesichert sind. Von Arbeitsplätzen wird dann gern geredet. Wer trägt noch ein Risiko in Konzernen? Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert. So geht das Spiel! Und kein deutscher Michel und Michael merkt, was geschieht. Keiner fragt nach dem Zusammenhang zu riesigem Reichtum, wachsender Armut zum Schuldenproblem? Wieviele Schulden in Bildung, Wohnen, Gesundheit, öffentlichen Verkehr uva. sind für die Zukunft unerlässlich und nicht wegsparbar?

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