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Aus: Ausgabe vom 18.11.2023, Seite 3 (Beilage) / Wochenendbeilage

Deutscher Lattenzaun

Von Arnold Schölzel
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Am 13. Juli warf Annalena Baerbock im antichinesischen Berliner Merics-Institut die »China-Strategie« der Bundesregierung ab. Das Papier, das auf 64 Seiten zwischen »Raus aus China!« und »In China bleiben!« mäandert und das Gewackel »Derisking« nennt, fiel gerechterweise sofort dem Vergessen anheim. Heute liest es sich wie ein Gruß von der »dümmsten Regierung«.

Ein deutsch-chinesisches Wirtschaftsdramolett in drei FAZ-Teilen:

7. November: Wirtschaftsredakteur Uwe Marx berichtet vom »Maschinenbaugipfel« in Berlin. In der Branche »dominierten deprimierende Zahlen und Entwicklungen«. Für 2024 werde der Produktionsrückgang auf etwa zwei Prozent geschätzt, 60 Prozent der Betriebe hätten niedrigere Auftragsbestände als im Durchschnitt vergangener Jahre, 30 Prozent wollten Personal abbauen, es werde Anfang nächsten Jahres »deutlich mehr Kurzarbeit« geben.

12. November: FAZ-Wirtschaftsredakteur Marcus Theurer veröffentlicht einige Zitate von BASF-Chef Martin Brudermüller. Der lässt gerade im chinesischen Zhanjiang für zehn Milliarden Euro den drittgrößten Standort des Konzerns nach Ludwigshafen und Antwerpen bauen. Vor der niederländischen Küste hat BASF den derzeit größten Windpark der Welt errichten lassen, der Strom soll die europäischen Werke des Konzerns versorgen. Brudermüller über Windradhersteller: »Die Chinesen sind technisch besser als wir, und sie sind auch kostengünstiger als wir.« BASF könne das beurteilen, denn das »Unternehmen baue nicht nur in Europa Windparks mit europäischen Turbinen, sondern auch in China mit chinesischen«. Brudermüller ätzt: »Es gibt ja eine politische Diskussion, dass mit der Windkraft jetzt nicht die nächste Technologie weggeht. Ich würde tendenziell sagen: Die ist schon weg.« Das liege »auch nicht an Preisdumping und staatlichen Subventionen in China. ›Schauen Sie sich das mal wirklich genau vor Ort an. Die sind einfach gut geworden mit ihren Produkten.‹« Und ein Tritt vors Schienbein derjenigen, die in der EU nur EU-Technik zulassen wollen: »Für eine Exportnation wie Deutschland ist das gefährlich, sehr gefährlich.« Die EU dürfe nicht gegen Chinas Windräder »›den Lattenzaun hochziehen‹«.

17. November: Redakteur Marx eröffnet den FAZ-Wirtschaftsteil mit dem Leitartikel »Die neue Maschinenbaurealität« und greift Brudermüllers »Die Chinesen sind besser als wir« auf. Das müsse »die deutschen Maschinenbauer ins Mark treffen«. Deren Motto »Wir sind teurer als andere, aber auch besser« reiche nicht mehr. Andere holten auf, »chinesische Unternehmen vorneweg«. Marx weiter: »Chinesische Maschinen seien viel besser als früher, heißt es jetzt unverblümt, das setze deutsche Mitbewerber unter Handlungsdruck. Und zwar nicht nur in China selbst, sondern auch in vielen Drittmärkten, denn der erstarkte Riese hat einen großen Radius.« Die Branche erlebe »eine Zeitenwende im China-Geschäft«. Die »Neujustierung« erfolge jedoch in einer Schwächephase: »Inzwischen wackeln sogar Stützpfeiler, die bisher jede Erschütterung unbeschadet überstanden haben.« In der Bundesregierung und der EU wüssten viele, »dass es um die Zukunft des Industriestandorts geht«. Marx hofft, dass die Selbsteinschätzung der Branche stimmt: »Dass nämlich die deutschen Maschinenbauer immer profitieren werden – egal, welche Weltmärkte Fahrt aufnehmen und welche Technologien sich durchsetzen, ob in der Mobilitäts- oder Energiewende. Es hänge so oder so an ihren Produkten. Sofern sie der Konkurrenz standhalten.« Sofern.

China-Strategie von Baerbock, Scholz und Co.? Da steht was von »Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale«. Die Wirklichkeit: China setzt zu besserer Technik an. Die hier nageln Latten an Zäune.

China-Strategie von Baerbock, Scholz und Co.? Da steht was von »Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale«. Die Wirklichkeit: China setzt zu besserer Technik an. Die hier nageln Latten an Zäune

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  • Leserbrief von Rainer Kral aus Potsdam (21. November 2023 um 07:06 Uhr)
    Wettbewerb hin, Monopole her. Wie der Artikel treffend beschreibt, hält sich die deutsche Regierung und ihr Pendant in Brüssel nicht mit diesen Betrachtungen auf. Wenn man auf dem Posten des Chef»Diplomaten« eine Person platziert hat, die es offensichtlich als ihre Aufgabe ansieht, Diplomatie abzuschaffen und mit der Kettensäge jegliche Kommunikationskanäle zu durchtrennen, dann muss man sich über Reaktionen bei ehemaligen Partnern nicht wundern. Und wenn dann noch ein angeblicher Wirtschaftsminister die Basis der deutschen Industrie angreift, sodass ein profitables Produzieren hierzulande unmöglich wird, dann helfen Lattenzäune, um sich vor ausländischen Wettbewerbern zu schützen, ohnehin nicht. Dass die beiden genannten Protagonisten zu einer politischen Partei gehören, die Sendungsbewusstsein als Realpolitik ansehen, dann ist sowieso alles zu spät. Angeblich gibt es in dieser Partei Stimmen, die den Niedergang der deutschen Industrie feiern: je weniger Industrie, desto weniger Emissionen. Prost, Mahlzeit.
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (18. November 2023 um 09:57 Uhr)
    Wettbewerb ist der Motor des Kapitalismus – eine weitverbreitete Aussage und ein zentrales Element in der kapitalistischen Wirtschaftsordnung. Im Kapitalismus konkurrieren Unternehmen um Ressourcen, Kunden und Marktanteile, mit dem erklärten Ziel, Innovationen, Effizienzsteigerungen und eine kontinuierliche Verbesserung von Produkten und Dienstleistungen zu fördern. Dieser Wettbewerb gilt als treibende Kraft, die den Fortschritt vorantreibt und das wirtschaftliche Wachstum stimuliert. Gleichzeitig wird argumentiert, dass der Wettbewerb im Kapitalismus dazu beiträgt, die Bedürfnisse der Verbraucher zu befriedigen und die Effizienz der Ressourcennutzung zu maximieren – zumindest in der Theorie. Jedoch werfen Realitäten wie Sanktionen und Embargos gegenüber anderen Ländern Fragen auf. Kritiker argumentieren, dass der sogenannte Wertewesten zögert, sich mit aufstrebenden Wirtschaftsmächten wie China in einem offenen Wettbewerb zu messen. Statt selbst im Wettbewerb zu bestehen, scheint der Wertewesten eher daran interessiert zu sein, als eine Art Jury zu fungieren, indem er bestimmte Maßnahmen ergreift, um den Wettbewerb zu seinen Gunsten zu reglementieren. Diese Diskrepanz zwischen der Theorie des Wettbewerbs als treibende Kraft im Kapitalismus und der praktischen Umsetzung in internationalen Beziehungen wirft Fragen nach den tatsächlichen Motiven und Prinzipien der Wirtschaftspolitik auf.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (20. November 2023 um 12:33 Uhr)
      Lieber Istvan Hidy, wenn der Wettbewerb der Motor kapitalistischer Entwicklung ist, weshalb bilden sich dann seit über hundert Jahren immer schneller immer größere, zum Teil weltumspannende Monopole? Wenn man die Welt von heute beschreiben will, sollte man nicht auf Versatzstücke jener Selbstbeschreibung des Kapitalismus zurückgreifen, die sogar schon zu Lenins Zeiten längst von der Geschichte überholt war.
      • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (20. November 2023 um 14:06 Uhr)
        Lieber Joachim S., warum wuchern in Menschen Krebszellen? Fehlentwicklung! Monopole sind nicht zwangsläufig eine inhärente Eigenschaft des Kapitalismus, sondern entstehen oft durch mangelnde Regulierung oder Fehlentwicklungen. Eine ausgewogene Wirtschaftsordnung sollte darauf abzielen, den Wettbewerb zu fördern, um die langfristige Leistungsfähigkeit der Wirtschaft zu gewährleisten. Die Bedeutung des Wettbewerbs im Kapitalismus und die potenziell negativen Auswirkungen von Monopolen sind: Wettbewerb zwingt Unternehmen dazu, effizienter zu arbeiten, um Kosten zu senken und bessere Produkte oder Dienstleistungen anzubieten. Dieser Druck fördert Innovation und verbesserte Produktivität. Wenn Unternehmen um Marktanteile konkurrieren, haben Kunden mehr Möglichkeiten, aus denen sie wählen können. Dies kann zu höherer Qualität, niedrigeren Preisen und innovativeren Produkten führen. Der Wettbewerb schafft Anreize für Unternehmen, in Forschung und Entwicklung zu investieren, um neue Technologien und Produkte zu schaffen. Monopole haben oft weniger Anreize, Innovationen voranzutreiben, da ihnen der Wettbewerbsdruck fehlt. Monopole können dazu neigen, ihre Marktmacht auszunutzen, indem sie Preise erhöhen und die Qualität senken, da die Verbraucher keine Alternativen haben. Wettbewerb hingegen begrenzt die Möglichkeit von Unternehmen, ihre Macht missbräuchlich einzusetzen. Eine Vielzahl von Wettbewerbern in verschiedenen Branchen macht die Wirtschaft robuster und widerstandsfähiger gegenüber Krisen. Wenn ein Monopolunternehmen scheitert, kann dies schwerwiegende Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft haben. Die Politik müsste Maßnahmen ergreifen, um Monopole zu regulieren und den Wettbewerb zu fördern. Dies kann durch Antimonopolgesetze, Kartellrechtsvorschriften und andere regulatorische Instrumente erreicht werden, um sicherzustellen, dass der Markt offen und wettbewerbsfähig bleibt.

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