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Aus: Ausgabe vom 18.11.2023, Seite 7 / Ausland
Wahlen in Argentinien

Massa oder Milei

Argentinien: Peronist und Ultrarechter in Stichwahl um Präsidentenamt. Linke vor Urnengang eingeschüchtert
Von Florencia Beloso
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»Es komme das Argentinien, das wir erhoffen«: Autogrammkarten von Javier Milei (Buenos Aires, 15.11.2023)

Am Sonntag konkurrieren der extrem rechte »Anarchokapitalist« Javier Milei und Sergio Tomas Massa, Wirtschaftsminister und Kandidat der peronistischen »Unión por la Patria«, um das höchste Staatsamt in Argentinien. Den ersten Wahlgang am 22. Oktober hatte der Peronist Massa mit 36 Prozent überraschend gewonnen, Milei war auf 30 Prozent der Stimmen gekommen. Jetzt folgt die zweite und entscheidende Runde – und es wird ein dichtes Kopf-an-Kopf-Rennen.

Unabhängig davon, wer gewinnt: Danach wird in Argentinien nichts mehr sein wie zuvor. Sergio Massa geht gestärkt in die Stichwahl – mit der politischen Unterstützung der peronistischen Gouverneure und einiger Gegner, die mit dem rechten Bündnis »Juntos por el Cambio« (Gemeinsam für den Wandel) unter der Führung von Expräsident Mauricio Macri gebrochen haben. Massa erwies sich trotz der ernsten wirtschaftlichen und sozialen Lage des Landes als konkurrenzfähig. Mit dem Vorschlag, die heimische Währung durch den US-Dollar zu ersetzen, hatte sein Kontrahent Milei für Aufsehen gesorgt. Er steht außerhalb des traditionellen Parteienspektrums aus Peronisten und Rechten. Mileis Ultrarechte ist zur dritten Kraft neben ihnen geworden.

Milei stellte sich in den vergangenen Wochen eher uneinheitlich dar. Wenige Stunden nach dem ersten Wahlgang hatte er ein politisches Abkommen mit dem unterlegenen Macri und seiner Präsidentschaftskandidatin Patricia Bullrich geschlossen. Dieser Pakt wurde von einem Flügel des Rechtsbündnisses »Juntos por el Cambio« missbilligt, der Milei bei der Wahl gegen Massa nun nicht mehr unterstützt. Die letzten drei Wochen seines Wahlkampfes nutzte Milei dazu, seinen antiperonistischen, angeblich gegen die »herrschende Kaste« des Landes gerichteten und auf die Negation des Bestehenden ausgerichteten Diskurs zu vervielfachen – auch wenn er selbst ein Vertreter ebenjener »herrschenden Kaste« ist.

Mit Milei trat gehäuft dessen Vizepräsidentschaftskandidatin Victoria Villarruel vor die Kameras, eine Verharmloserin der Verbrechen der faschistischen Militärdiktatur in Argentinien. Gemeinsam mit Milei säte sie Zweifel am Wahlsystem und brachte das Gerücht vom Wahlbetrug in Umlauf. Milei lieferte sich zudem gewalttätige Auseinandersetzungen mit Journalisten. Eine seiner Stellvertreterinnen, Lilia Lemoine, bedrohte eine Reporterin des öffentlichen Fernsehens und äußerte den Wunsch, die staatlichen Medien zu privatisieren.

Aktuelle Umfragen sehen Milei mit vier Punkten Vorsprung vor Macri in Führung, einige sprechen auch von Gleichstand. Wer immer die Wahlen gewinnt, wird sich mit zersplitterten Kräfteverhältnissen auseinandersetzen müssen. Weder Massa noch Milei werden in der Lage sein, das Parlament vollständig zu kontrollieren. Mileis Partei »La Libertad Avanza« wird eine Belastung sein bei künftigen Debatten und Verhandlungen. Aber die extreme Rechte wird in keiner Provinz regieren, »Juntos por el Cambio« und »Unión por la Patria« teilen sich die Provinzbezirke nach wie vor. Keiner von Mileis Gouverneurskandidaten hat bei den allgemeinen Wahlen am 22. Oktober in den Provinzen gut abgeschnitten, die meisten haben sich statt dessen für die Regierungspartei oder die traditionellen Parteien entschieden.

In den letzten Stunden vor dem Urnengang prangerte »La Libertad Avanza« vermehrt die vermeintlichen Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen im Oktober an und forderte eine Verwahrung der Wahlurnen. Die Partei beschuldigt die Gendarmerie, einen »kolossalen Betrug« gegen sie zu verüben – eine mangels Beweisen nicht haltbare Anschuldigung. Das erinnert an Verlautbarungen des ehemaligen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro vor dem gegen Luiz Inácio Lula da Silva verlorenen Urnengang. Bolsonaro ist einer der wichtigsten internationalen Verbündeten von Milei. »Milei 2023, ihr Scheißlinken!« heißt es in einem Graffito in der Nationalen Universität von Cuyo in Mendoza. Bedroht wird derzeit auch der Vorsitzende der Juventud Radical (JR) in Buenos Aires. Kurz vor dem Urnengang wird Argentiniens Linke noch einmal drastisch eingeschüchtert.

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