Hungerkrieg gegen Gaza
Von Karin Leukefeld
Der UN-Sicherheitsrat in New York hat am Mittwoch (Ortszeit) eine Resolution angenommen, die die »dringende und ausgedehnte humanitäre Unterbrechungen« des Krieges in Gaza fordert. »Für eine angemessene Anzahl von Tagen« müssten »humanitäre Korridore im ganzen Gazastreifen« eingerichtet werden, um Hilfsgüter zu verteilen und kranke und verletzte Personen evakuieren zu können. Explizit wird die Lieferung von Treibstoff gefordert. Die in Gaza festgehaltenen Gefangenen sollen »bedingungslos« freigelassen werden, heißt es. UN-Generalsekretär António Guterres wird aufgefordert, einen Bericht über die Umsetzung der Resolution vorzulegen.
Der von Malta vorgelegte Resolutionsentwurf wurde mit zwölf Stimmen angenommen. Es gab keine Gegenstimme. Die Vetomächte Russland, USA und Großbritannien enthielten sich, China und Frankreich stimmten dafür. Nach internationalem Recht ist die Resolution für alle 193 UN-Mitgliedstaaten bindend. Der stellvertretende israelische UN-Botschafter Brett Jonathan Miller wies die Resolution als »unrealistisch« zurück. »Es wird nicht passieren«, so Miller auf der Plattform X. Israel halte sich an das internationale Recht, betonte er. Der UN-Sicherheitsrat sei unfähig, »das Massaker, das die Hamas (am 7. Oktober) verübt hat, zu verurteilen«. Das habe zum Krieg in Gaza geführt.
Israelische Truppen hielten auch am Donnerstag das Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt besetzt. Nach der Erstürmung des Klinikkomplexes in der Nacht zu Mittwoch präsentierte Daniel Hagari, Sprecher der israelischen Streitkräfte, vor Journalisten Fotos von Waffen, Munition, Hamas-Uniformen und technischem Gerät, welches man in der Radiologieabteilung des Krankenhauses gefunden habe. Auf einem Laptop seien Fotos der Geiseln entdeckt worden. Es handele sich um eine »Kommandozentrale« der Hamas, so Hagari. Sowohl das Gesundheitsministerium in Gaza als auch die Hamas widersprachen der Darstellung. Waffen und bewaffnete Kräfte seien im Krankenhaus nicht zugelassen.
Das US-Magazin Democracy Now telefonierte mit Ärzten im Schifa-Krankenhaus, während die israelische Armee die Gebäude durchsuchte. Junge Männer – medizinisches Personal oder Angehörige von Verletzten oder Vertriebenen – wurden aufgefordert, sich zu ergeben. Männer seien befragt worden, einige mussten sich komplett ausziehen, die Augen wurden ihnen verbunden. Der Chirurg Ahmed Al-Mokhallati sagte, er und andere Ärzte befänden sich in der Klinik, wüssten aber nicht, was geschehe. Es werde »andauernd geschossen«, Panzer führen über das Gelände. Mit der israelischen Armee im Krankenhaus sei die Lage sehr gefährlich, so der Arzt. Man könne nicht von einem Gebäude in ein anderes gehen, man könne die Patienten, niemanden mit Essen versorgen.
Die in Genf ansässige Nichtregierungsorganisation Euro-Med Human Rights Monitor berichtete, dass die israelische Armee am Mittwoch die letzte noch funktionierende Getreidemühle in Deir Al-Balah im Zentrum des Gazastreifens bombardiert habe. Die Mühle musste ihre Arbeit einstellen. Der Mangel an Mehl für das Backen von Brot sei enorm, so die Menschenrechtsorganisation. Dutzende Bäckereien in Gaza-Stadt und im Norden des Gazastreifens seien bereits von der israelischen Armee zerstört worden. Israel führe auch einen Hungerkrieg gegen die Bevölkerung von Gaza.
Das jordanische Außenministerium teilte am Mittwoch mit, bei einem Angriff der israelischen Armee in unmittelbarer Nähe eines Feldlazaretts, das Amman dem Gazastreifen zur Verfügung gestellt hat, seien sieben Mitarbeiter der Einrichtung verletzt worden. Man habe eine Untersuchung eingeleitet. Das Ministerium sprach von einem Kriegsverbrechen. Am Donnerstag hat Israel dem UN-Menschenrechtskoordinator Volker Türk die Genehmigung für eine Einreise in den Gazastreifen verweigert. Man sehe in diesem Besuch keinen Nutzen, teilte die Vertretung Israels am Sitz der UNO in Genf mit. Türk hatte eine internationale Untersuchung des Krieges zwischen Israel und Hamas gefordert.
Immer noch kein Abo?
Die junge Welt ist oft provokant, inhaltlich klar und immer ehrlich. Als einzige marxistische Tageszeitung Deutschlands beschäftigt sie sich mit den großen und drängendsten Fragen unserer Zeit: Wieso wird wieder aufgerüstet? Wer führt Krieg gegen wen? Wessen Interessen vertritt der Staat? Und wem nützen die aktuellen Herrschaftsverhältnisse? Kurz: Wem gehört die Welt? In Zeiten wie diesen, in denen sich der Meinungskorridor in der BRD immer weiter schließt, ist die junge Welt unersetzlich.
-
Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinz K. aus München (17. November 2023 um 10:30 Uhr)Kann mir bitte mal jemand erklären, welchen Zweck »humanitäre Pausen« haben sollen? Allein der Gebrauch der Mehrzahl deutet doch an, dass es sie wiederholt geben soll. Also: Die Palästinenser werden vorübergehend nicht umgebracht, um sie notdürftig ernähren und versorgen zu können. Evakuierung ist doch nur eine Einbildung – wohin denn? Anschließend geht dann das Morden weiter, vielleicht stirbt es sich ja mit vollem Magen leichter und besser als hungrig? Und das in regelmäßigen oder unregelmäßigen Abständen immer wieder? Wie kommt der Sicherheitsrat dazu, solche menschenverachtenden Idiotien zu beschließen? Vermutlich, weil alles andere an einem Veto der USA scheitern würde, wie gehabt!
-
Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (17. November 2023 um 18:35 Uhr)Hier möchte ich widersprechen. Erstens ist diese Resolution ein politisches Signal an Israel, dessen Bedeutung nicht zu unterschätzen ist. Auch wenn sie jetzt großmäulig weitgehend ignoriert werden dürfte, macht sie Israel klar, dass sein Handeln international deutlich missbilligt wird. Zweitens dürfte es durch entsprechenden Druck vielleicht doch gelingen, Menschenleben zu retten. Und sei es auch nur eines, dann wäre das ein Erfolg, den man niemals kleinreden darf, will man sich seiner Mitmenschlichkeit nicht entledigen.
-
Ähnliche:
- Israeli Defence Forces/Handout via REUTERS16.11.2023
Krankenhaus als Ziel
- Eloisa Lopez/REUTERS15.11.2023
Helfer am Ende
- Clotaire Achi/REUTERS11.11.2023
Almosen für die Verdammten
Mehr aus: Ausland
-
Sozialdemokrat bleibt
vom 17.11.2023 -
Kein Deal ohne China
vom 17.11.2023 -
Tribunal gegen US-Blockade
vom 17.11.2023 -
Staatsbesuch aus Frankreich
vom 17.11.2023 -
Westbank vor Explosion
vom 17.11.2023 -
»USA zu völkerrechtsgemäßem Handeln bewegen«
vom 17.11.2023