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Aus: Ausgabe vom 16.11.2023, Seite 6 / Ausland
Jews for Palestine

Gegen »Komplizenschaft«

Irland: »Jews for Palestine« attackieren deutsche Bundesregierung wegen Israel-Politik
Von Jakob Reimann
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Endlich aus der Geschichte lernen: Protest vor der deutschen Botschaft in Dublin (14.11.2023)

Drei jüdische Aktivisten haben sich am Dienstag mit Handschellen an das Eingangstor der deutschen Botschaft in Dublin gekettet, um gegen Deutschlands Unterstützung für den »neuen Völkermord des 21. Jahrhunderts, der sich vor den Augen der Welt in Gaza abspielt«, zu protestieren. Dem auf X veröffentlichten Aufruf der Gruppe »Jews for Palestine« folgten rund 50 Leute. Die Demonstranten forderten die Bundesregierung auf, sich für einen Waffenstillstand in Nahost einzusetzen, Rüstungsexporte nach Israel einzustellen und die Arrestwelle in Deutschland gegen Gruppen und Personen der Palästina-Solidaritätsbewegung einzustellen. Die Handschellen stehen für die in Deutschland Inhaftierten, erklärte Annie de Bhal, eine der Organisatorinnen, am Dienstag gegenüber jW. Die Gruppe verurteile »diesen zynischen Niederschlag der Redefreiheit«. Teddybären wurden außerhalb der Botschaft plaziert »als Symbol für die 5.000 von Israel getöteten Kinder«, heißt es in der Presseerklärung der Gruppe.

Am Botschaftstor wurde dem Diplomaten Christian Resch eine Liste mit Forderungen übergeben. Er werde diese an das »Hauptquartier in Berlin weiterleiten«, versichert Resch in einem Video, das jW einsehen konnte. Deutschland »behauptet, es würde zum Schutz der heutigen Juden agieren«, heißt es in der Forderungsliste weiter, die auch auf X veröffentlicht wurde. Doch als »Nachkommen derer, die es einst auszurotten versuchte«, lehne die Gruppe diese Darstellung ab. »Deutschland engagiert sich nicht für den Schutz des jüdischen Volkes, sondern für den Schutz des israelischen Staats.« Und dieser begehe »in diesem Moment einen Genozid« in Gaza und im Westjordanland.

Der Protest vor der Botschaft verlief friedlich, mehrere Reden wurden gehalten, T-Shirts mit der Aufschrift »Ceasefire Now«, Banner mit »Jews Against Genocide« sowie Palästina-Flaggen waren zu sehen. Die von den Deutschen gerufene Polizei hatte keinen Grund einzuschreiten. Zu dem Hinweis der Protestierenden, dass eine derartige Aktion in Deutschland kriminalisiert und von der Polizei unmöglich gemacht würde, habe es seitens des Diplomaten Resch keine Positionierung gegeben, erfuhr jW von de Bhal.

Eine Vielzahl von Ländern des globalen Südens fordert ein Ende der Gewalt in Nahost. Auch westliche Länder wie Belgien, Frankreich und Irland haben sich dem angeschlossen. Da die Bundesregierung sich jedoch weigere, »zu einem Waffenstillstand oder auch nur zu einer Zurückhaltung Israels aufzurufen«, mache sie sich mitschuldig am »Völkermord«, schreiben die »Jews for Palestine« weiter – auch, indem sie »Waffenexporte nach Israel nicht einstellt, sondern erhöht«. Nach den Zahlen des Stockholmer Friedensforschungsinstituts (SIPRI) stammt mehr als jede vierte in den letzten zehn Jahren an Israel gelieferte Waffe aus Deutschland, das damit, übertroffen nur von den USA, auf Platz 2 aller Waffenlieferanten steht. Seit 2010 hat die BRD Waffenverkäufe im Wert von knapp drei Milliarden Euro an Israel genehmigt, wie unter anderem aus den Rüstungsexportberichten der Bundesregierung hervorgeht. Mit Genehmigungen in Höhe von fast 700 Millionen Euro lag hier der höchste Wert im Jahr 2014 vor, als Gaza im Sommer 51 Tage lang bombardiert wurde und mehr als 1.400 Zivilisten getötet wurden.

Selbst die US-Regierung ruft Israel mittlerweile zaghaft zur Zurückhaltung auf, insbesondere in bezug auf die Offensive gegen das Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt. »Die Vereinigten Staaten wollen keine Feuergefechte in Krankenhäusern, bei denen unschuldige Menschen ins Kreuzfeuer geraten«, warnte der nationale Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Jacob Sullivan, am Sonntag gegenüber CBS News. Unterdessen setzte sich die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) am Wochenende in Brüssel zum wiederholten Male gegen einen Waffenstillstand in Israel und Gaza ein und warb für eine Politik der »kleinen Schritte«. »Jews for Palestine« erkennt in solchem Verhalten »Komplizenschaft«, Aktivistin de Bhal kündigt gegenüber jW daher weitere Protestaktionen ihrer Gruppe gegen die Politik der Bundesregierung an.

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